Koalitionspoker:NRW ohne stabile Regierung

Die SPD lehnt eine große Koalition ab - Hannelore Kraft will sich aber nicht von Linken wählen lassen. Somit regiert Jürgen Rüttgers vorerst weiter.

Bernd Dörries

Einen Monat nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind vorerst alle Versuche gescheitert, eine neue Regierung zu bilden. Nachdem die Gespräche über eine Ampelkoalition ohne Einigung geblieben waren, sprach sich der SPD-Landesvorstand am Freitagabend einstimmig gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU aus. "Ein Politikwechsel ist mit der CDU nicht möglich", sagte SPD-Landeschefin Hannelore Kraft nach der Sitzung in Düsseldorf. Die Sozialdemokraten wollen nun aus der Opposition heraus die geschäftsführende Minderheitsregierung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers attackieren.

SPD-Vorstand berät nach Ampel-Aus in NRW

Hannelore Kraft, Landesvorsitzende der SPD in NRW, hat einer großen Koalition am Rhein eine Absage erteilt.

(Foto: dpa)

Zunächst bleibt die bisherige schwarz-gelbe Regierung geschäftsführend im Amt. Die Führungsspitze der Sozialdemokraten ist sich einig, dass man mit der CDU kein Regierungsbündnis eingehen wird, solange Rüttgers nicht bereit ist, auf sein Amt zu verzichten. "Wir haben den Wählerauftrag für einen Politikwechsel'', sagte Kraft. Dazu sei die CDU beispielsweise in der Schulpolitik nicht bereit. Auch gehörten zu einem Politikwechsel "neue Gesichter".

Am Wochenende will Kraft die Ergebnisse ihrer erfolglosen Sondierungen mit der Basis diskutieren, am Montag soll der Landesparteirat die Absage an die CDU noch förmlich beschließen. Kraft sagte, sie habe bisher große Zustimmung für ihren Kurs erhalten. "Die Zeit des Redens ist vorbei. Jetzt geht es ans Handeln. Wir werden nun den Politikwechsel aus dem Parlament in Gang setzten." Kraft kündigte an, einen Antrag zur Abschaffung der Studiengebühren zu stellen. SPD, Grüne und Linke könnten diesen mehrheitlich beschließen.

Einer Minderheitsregierung, die von der Linkspartei toleriert wird, erteilte Kraft eine Absage. In der SPD hatten einige erwogen, Kraft mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen und innerhalb eines Jahres Neuwahlen anzustreben. Auch führende Politiker der Grünen warben für diese Option. Kraft machte der Fraktionschefin der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Sylvia Löhrmann, aber deutlich, dass sie sich nicht in eine Minderheitsregierung drängen lasse. Die SPD-Landeschefin hält die Linkspartei für zu unberechenbar und damit die Gefahr zu groß, von ihr vorgeführt zu werden. "Ich mache doch kein Harakiri", sagte Kraft in einer internen Runde. Für die Regierungsbildung sind nun zwei Szenarien denkbar. Sollte sich Rüttgers entscheiden, in einer großen Koalition auf das Amt des Regierungschefs zu verzichten, hätte die SPD kaum noch Argumente gegen ein rot-schwarzes Bündnis. Kraft könnte in dieser Konstellation allerdings nicht Ministerpräsidentin werden. Die CDU begründet ihren Anspruch auf das Amt damit, dass sie bei der Landtagswahl etwa 6000 Stimmen mehr erhalten hat als die SPD. Für einen Rückzug von Rüttgers gibt es derzeit keine Anzeichen. Kritisch könnte die Lage für ihn werden, wenn im Herbst der neue Haushalt von der Opposition abgelehnt wird.

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