Nordrhein-Westfalen:SPD in Bocholt sagt Parteitag nach Morddrohungen ab

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Thomas Purwin, SPD-Vorsitzender in Bocholt (undatierte Aufnahme). (Foto: dpa)

Der SPD-Chef der nordrhein-westfälischen Stadt war wiederholt bedroht worden. Nun will Thomas Purwin sich vorerst zurückziehen. Der Staatsschutz ermittelt.

Von Bernd Kastner, München

Die SPD in Bocholt hat ihren Parteitag abgesagt, weil gegen ihren Vorsitzenden Morddrohungen eingegangen sind. In einer E-Mail, so berichtet Thomas Purwin, sei angekündigt worden, ihn auf dem Heimweg zu töten. Er sehe sich deshalb derzeit nicht in der Lage, erneut als SPD-Chef in der nordrhein-westfälischen Stadt zu kandidieren, weshalb die für Freitagabend geplante Neuwahl nicht stattfindet. Das Bocholter Volksblatt hatte zunächst darüber berichtet.

Purwin hat Strafanzeige gestellt, der Staatsschutz der Polizei in Münster ermittelt. Er tut das nicht zum ersten Mal aus diesem Grund in Bocholt. Seit Ende vergangenen Jahres seien dort bei diversen Kommunalpolitikern und Verwaltungsmitarbeitern Hass- und Drohmails eingegangen, berichtet eine Polizeisprecherin. So seien unter anderem Bocholts Bürgermeister Peter Nebelo und Kämmerer Ludger Triphaus Adressaten der anonymen Schreiben. Diese seien immer wieder offen judenfeindlich formuliert und stünden in Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik, bezögen sich aber konkret auf die lokale Situation in der gut 70 000 Einwohner zählenden Stadt im westlichen Münsterland.

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Einmal fand der Bundesjustizminister sogar eine Neun-Millimeter-Patrone in seinem Briefkasten. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir wird seit der Armenier-Resolution massiv bedroht.

Die Täter nutzen ausländische Server

Thomas Purwin, 35, leitet hauptberuflich das Standesamt in Bocholt, seit dreieinhalb Jahren steht er der SPD dort vor. In den vergangenen Monaten habe er mitunter täglich Hass- und Drohmails im Postfach der SPD gehabt, sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Das belastet einen schon", zumal man nicht wisse, ob es der Schreiber bei den Drohungen belasse oder tatsächlich Gewalt anwende. Am vergangenen Montag, dem Tag der Deutschen Einheit, als in Dresden hochrangige Politiker von Pegida-Anhängern angepöbelt wurden, habe er eine Botschaft erhalten, die ihn die Reißleine ziehen ließ. Purwin ist junger Familienvater, seine Partnerin habe Angst bekommen. Er wollte sich zunächst zurückziehen aus der Politik, sagt Purwin. Sollte die Polizei den oder die Schreiber dingfest machen, werde er gerne weitermachen als SPD-Chef.

Schwierig, heißt es bei der Polizei, seien die Ermittlungen vor allem, da der oder die Schreiber ausländische Server nutzten, um ihre Identität zu verschleiern. SPD-Chef Sigmar Gabriel telefonierte mit Purwin und verurteilte die Drohungen. "Menschen einzuschüchtern, ist feige und verabscheuungswürdig", sagte er den Ruhr Nachrichten.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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