Nordrhein-Westfalen: Koalitionsvertrag steht:Rot-Grün hat einen Plan

Gemeinschaftsschule, Windkraft, Abschaffung der Studiengebühren: Zwei Monate nach der Landtagswahl präsentieren die Chefinnen von SPD und Grünen in Düsseldorf den Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen.

Bernd Dörries

Neun Wochen nach der Landtagswahl vom 9. Mail haben sich SPD und Grüne auf einen Koalitionsvertrag für eine Minderheitsregierung geeinigt, die Mitte kommender Woche im Landtag vereidigt werden soll. Hier die wichtigsten Punkte:

Koalitionsverhandlungen SPD und Grüne in NRW

Hand drauf: Die Landesvorsitzende der NRW-SPD, Hannelore Kraft (rechts), und die Fraktionsvorsitzende der NRW-Grünen, Sylvia Löhrmann, haben die Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf erfolgreich beendet.

(Foto: dpa)

Schulpolitik: SPD und Grüne wollen die Gemeinschaftsschule einführen. In den Jahrgangsstufen fünf und sechs wird grundsätzlich nicht nach Eignung der Schüler differenziert, alle lernen zusammen. Von der siebten Klasse an muss die Schule entscheiden, ob sie dieses "integrative System" bis einschließlich Klasse zehn fortsetzt oder Schüler wieder getrennt unterrichtet: Dann wird jeder Schüler nach Leistungsfähigkeit in Haupt-, Realschul- oder Gymnasialzweig eingestuft. Die SPD plante im Wahlkampf noch, den Systemwechsel zentral zu steuern und flächendeckend durchzuführen. Hier haben sich aber die Grünen durchgesetzt. Eltern, Lehrer und die Kommune sollen entscheiden, wo es Gemeinschaftsschulen geben wird. Die designierte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) plant, dass bis in fünf Jahren 30 Prozent aller Schulen Gemeinschaftsschulen sind. Neue Lehrer wird es nicht geben, die Lehrerzahl soll angesichts der geburtenschwächeren Jahrgänge aber auch nicht reduziert werden, so dass die Zahl der Lehrer pro Schüler steigen soll. Rot-Grün will den anderen Parteien ein Angebot machen, "die Schulpolitik aus dem Parteiengezänk herauszuhalten", sagte Löhrmann. Die CDU kündigte an, mit allen verfassungsrechtlichen Mitteln für den Erhalt des Gymnasiums zu kämpfen.

Studiengebühren: Die Beiträge der Studenten von derzeit 500 Euro pro Semester sollen zum Wintersemester 2010/11 abgeschafft werden. Die Hochschulen bekommen die Ausfälle von 250 Millionen Euro aus dem Haushalt ersetzt und müssen dafür auch keine neuen Studienplätze schaffen. Das Geld fließe also in Personal und Ausstattung, sagt Rot-Grün. Das entsprechende Gesetz soll bereits in den letzten Landtagssitzungen vor der Sommerpause eingebracht werden. CDU und FDP haben die Gebühren eingeführt und werden der Abschaffung nicht zustimmen. Die Linke will die Gebühren sofort abschaffen und nennt die rot-grünen Pläne "Studiengebührenverlängerungsgesetz". Sie werden sich aber auch wieder beruhigen. Schneller geht es aus organisatorischen Gründen nicht, sagt Rot-Grün.

Lesen Sie weiter, was Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen bei den Kommunen, beim Verkehr und der Energiepolitik ändern will.

Schluss mit "Privat vor Staat"

Kommunen: "In den Städten und Gemeinden entscheidet sich der soziale Zusammenhalt", sagt die designierte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Für die Kommunen wird es einen Rettungsfonds geben. Bei der landeseigenen NRW-Bank wird ein Sondervermögen von bis zu fünf Milliarden Euro angelegt, die Rendite von 350 Millionen Euro jährlich soll den armen Kommunen als Zinsbeihilfe gegeben werden. Der kommunale Anteil an der Grunderwerbssteuer soll zudem um 300 Millionen Euro steigen. Wenn die Kommunen die Entlastung nutzen, um ihre Haushalte dauerhaft zu sanieren, soll ihnen die Rückzahlung ihrer Altschulden bis zur Hälfte der ursprünglichen Summe erlassen werden.

Hannelore Kraft, Sylvia Loehrmann

Die beiden sind sich einig: Silvia Löhrmann (Grüne) und Hannelore Kraft (SPD) bei den Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf.

(Foto: ap)

Im Gemeindewirtschaftsrecht soll der Paragraf 107 geändert werden, der den Stadtwerken der Kommunen große Beschränkungen bei ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten auferlegte - etwa beim Engagement auf dem Strommarkt. Für die neue Regierung ist dieser Punkt von hoher symbolischer Bedeutung - als klare Abkehr vom "Privat vor Staat"-Motto der schwarz-gelben Vorgänger.

Energie- und Klimapolitik: Hier gab es im Vorfeld die größten Meinungsunterschiede zwischen den Parteien: Die SPD wollte moderne Kohlekraftwerke bauen, die Grünen nicht. Nun einigte man sich darauf, als Richtschnur allen landespolitischen Handelns eine Reduktionsvorgabe einzuführen: Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß um 25 Prozent gegenüber 1990 verringert werden, bis 2050 um bis zu 95 Prozent. "Neue fossile Kraftwerke und der Ersatz von Altanlagen dürfen nicht im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen stehen, und die Emissionen des fossilen Kraftwerksparks müssen kontinuierlich gesenkt werden." Der Anteil der Windenergie soll sich bis 2020 von derzeit drei auf 15 Prozent an der gesamten Stromerzeugung erhöhen. Der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau bis 2018 wird nicht in Frage gestellt. Im Bundesrat würde die Koalition gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke stimmen.

Verkehrspolitik: Rot-Grün will den Nahverkehr ausbauen und Sozialtickets bezuschussen. Auf dem Köln-Bonner Flughafen soll zwischen null und fünf Uhr morgens ein Flugverbot gelten. Die Geschäftsführung des Flughafens hatte im Wahlkampf davor gewarnt, dass ein solcher Schritt 1000 Arbeitsplätze kosten werde.

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