Nordrhein-Westfalen:Kehrtwende beim Sozialticket

Verbilligte Monatskarten für Ärmere streichen und das Geld in den Straßenbau stecken? Die Idee kam nicht gut an. Nun rudert Verkehrsminister Wüst zurück. Und die Opposition nutzt die Chance zur Abrechnung.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Nach massiven Protesten hat Nordrhein-Westfalens schwarz-gelbe Landesregierung ihr Vorhaben aufgegeben, die Zuschüsse für verbilligte Bahn- und Bus-Fahrten für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger zu streichen. "Das Sozialticket bleibt", versicherte Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) am Mittwoch im Landtag. Wüst nannte seine Ankündigung von voriger Woche, die Subvention von jährlich 40 Millionen Euro bis 2020 zu streichen und das Geld stattdessen in den Straßenbau zu investieren, einen "Fehler". Die Pläne hatten nicht nur die Opposition von SPD und Grünen mobilisiert. Auch in den Fraktionen von CDU und FDP war die Idee auf Unverständnis gestoßen. Der CDU-Abgeordnete Rainer Deppe räumte ein, Wüst habe "Unsicherheiten hervorgerufen".

Das Sozialticket ermöglicht es derzeit etwa 300 000 Menschen an Rhein und Ruhr, eine auf 31 bis 38 Euro verbilligte Monatskarte zu erstehen. Anspruchsberechtigt sind etwa zwei Millionen Menschen, darunter Hartz-IV-Empfänger, Mini-Jobber wie auch Asylbewerber. Die Zahl der Bürger, die auf Sozialtransfers zur Sicherung ihres Existenzminimums angewiesen sind, ist 2016 laut dem Statistischen Landesamt auf 2,2 Millionen Menschen gestiegen. Gegen die Kürzung beim Sozialticket hatten neben Sozialverbänden, Gewerkschaften und Kirchen auch viele Städte im Bundesland protestiert. Innerhalb weniger Tage hatten 43 000 Bürger eine Online-Petition der Grünen gegen die Sparmaßnahme unterzeichnet.

Im Landtag nutzten SPD und Grüne die Debatte zu einer Generalabrechnung mit der Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Die SPD-Abgeordnete Sarah Philipp warf der Koalition "eine Politik für Besserverdienende" vor. Sie erinnerte an den jüngsten Streit um die Berufung des CDU-Politikers Friedrich Merz zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Köln-Bonner Flughafens und hielt Laschet "Chaos" vor. Der Fraktionschef der Grünen, Arndt Klocke, höhnte, die schwarz-gelbe Koalition sei nach nur fünf Monaten im Amt so verbraucht wie es CDU und FDP der vorherigen rot-grünen Landesregierung im Wahlkampf vorgehalten hätten.

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