Schon am Vortag war die Stimmung prima unter den Abgeordneten der neuen Mehrheit, wenn auch noch etwas nervös. Auf den Rheinwiesen vor Düsseldorfs Jugendherberge hatten die beiden Parteichefs Armin Laschet und Christian Lindner den Koalitionsvertrag unterzeichnet, auf dessen Grundlage CDU und FDP in den kommenden fünf Jahren Nordrhein-Westfalen regieren wollen. Dann gab es Kölsch und Alt, Hamburger und immer denselben Scherz: Was denn der Kollege Abgeordnete am Dienstagnachmittag um drei so vorhabe? Antwort: Man müsse gerade um diese Uhrzeit unbedingt noch den Rasen im Garten der Mutter mähen.
Dienstag um 15 Uhr sitzen dann doch alle Abgeordneten von CDU und FDP vollzählig im runden Plenarsaal des Landtags. Es stehen nur zwei Punkte auf der Tagesordnung: Wahl des Ministerpräsidenten und Vereidigung des Ministerpräsidenten. Und es gibt nur einen Kandidaten. "Zum Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen wird gewählt: Armin Laschet", lautet der Vorschlag von CDU und FDP, Drucksache 17/50. Damit es aber so kommt, müssen laut Landesverfassung im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte aller Abgeordneten für den CDU-Chef stimmen, und zwar in geheimer Wahl. CDU und FDP kommen zusammen auf 100 der insgesamt 199 Landtagsmandate, es ist die knappest mögliche Mehrheit.
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen:Freundlich im Ton, härter in der Sache
Armin Laschet gilt vielen in der CDU als "zu freundlich". Der Wahlsieger glaubt hingegen, dass er Nordrhein-Westfalen nur so reformieren kann - und gleichzeitig Europa und der Kanzlerin helfen.
Und der Vorsprung von nur einer einzigen Stimme reicht, gleich im ersten Anlauf: Um 15.35 Uhr gibt Landtagspräsident André Kuper (CDU) das Ergebnis bekannt: Eben die nötigen 100 Abgeordneten haben Laschet gewählt, 78 Gegenstimmen hat er bekommen. Hannelore Kraft, nun seine Amtsvorgängerin, ist die erste, die dem frisch Gewählten gratuliert. Schon wenige Minuten nach seiner Wahl legt der 56-Jährige den Amtseid als bisher elfter Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes ab, die religiöse Formel "So wahr mir Gott helfe", schließt der Katholik aus Aachen dabei an.
In seiner kurzen Antrittsrede dankt Laschet zunächst ausführlich und "ganz persönlich" seiner Vorgängerin Kraft, dann hörbar gerührt seiner Familie - sein Vater, seine Frau und seine drei erwachsenen Kinder sitzen auf der Publikumsempore. Seine Regierung wolle "Impulsgeber und Ideenstifter" über das "Industrieland, Energieland, Einwanderungsland" NRW sein, sagt Laschet. Dann will er sich wieder auf seinen Abgeordnetenstuhl setzen - und wird erst von seinem Koalitionspartner Lindner darauf hingewiesen, dass sein Platz nun auf der Regierungsbank ist.
Damit hat die neue Koalition ihre erste Aufgabe bewältigt - ohne auf Stimmen aus der Opposition angewiesen zu sein. Marcus Pretzell, der Fraktionschef der rechtspopulistischen, bei der Landtagswahl im Mai neu ins Parlament gewählten AfD, hatte zuvor auf einer Pressekonferenz versichert, seine Abgeordneten würden Laschet nicht unterstützen. Sie gingen alle demonstrativ an der Wahlkabine vorbei und gaben leere und damit ungültige Stimmzettel ab. SPD und Grüne hatten ohnehin darauf verzichtet, eigene Gegenkandidaten gegen Laschet antreten zu lassen.
Denn um gewählt zu werden, hätte dieser eben nicht nur die Stimme mindestens eines heimlichen Überläufers aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition gebraucht, sondern auch die Voten der Rechten von der AfD - sowohl für Sozialdemokraten wie für Grüne ein Tabu.
Noch am Abend übergibt Hannelore Kraft ihrem Nachfolger das Amtszimmer im gläsernen Hochhaus der Staatskanzlei. Kraft hatte noch am Abend ihrer Wahlniederlage ihre SPD-Parteiämter niedergelegt, hat sich seither kaum mehr gezeigt und sogar ihre Konten in sozialen Netzwerken gelöscht.
Wer Minister in seinem Kabinett werden soll, will Laschet am Donnerstag der CDU-Fraktion mitteilen. Dass ein Regierungschef die Namen auf seiner Kabinettsliste erst nach der eigenen Wahl benennt, ist Usus in Nordrhein-Westfalen. Der Ablauf verhindert aber auch, dass sich möglicherweise in der geheimen Wahl des Ministerpräsidenten jemand rächt, der sich bei der Vergabe der Posten zu kurz gekommen fühlt.
Bei der FDP allerdings scheint bereits klar zu sein, wen sie in die Kabinettsrunde schickt: Demnach soll der bisherige Fraktionsvize Joachim Stamp ein deutlich aufgewertetes Ministerium für Integration, Jugend, Kinder und Familie leiten. Andreas Pinkwart, bereits von 2005 bis 2010 neben Laschet Minister einer schwarz-gelben NRW-Landesregierung, soll ein Ressort für Wirtschaft und Digitalisierung übernehmen. Schulministerin soll die Landtagsabgeordnete Yvonne Gebauer werden. Bei der CDU gilt der in der Partei sehr populäre Karl-Josef Laumann, Laschets Vorgänger an der Fraktionsspitze, als gesetzt.
Laumann, derzeit Patientenbeauftragter der Bundesregierung, soll demnach ein Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bekommen. Die neuen Minister sollen am Freitag im Landtag ihren Amtseid ablegen.