Nordrhein-westfälische CDU:Im Zwielicht

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Rüttgers in Erklärungsnot: Drei Wochen vor der Landtagswahl wird der nordrhein-westfälische Ministerpräsident von einer alten Finanz-Transaktion eingeholt.

Hans Leyendecker und Johannes Nitschmann

Drei Wochen vor der Landtagswahl wird der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) von einer alten Finanz-Transaktion im vorigen Landtagswahlkampf eingeholt, die für ihn zu einer neuen Parteispenden-Affäre zu werden droht. Die Unternehmensführung des Lippstädter Autozulieferers Hella teilte am Dienstag mit, sie habe jetzt entschieden, eine Zuwendung aus dem Jahr 2005 in Höhe von 10.000 Euro an die CDU-nahe Initiative "Wähler für den Wechsel" als "steuerlich nicht abzugsfähig zu behandeln". Das Unternehmen habe seine Steuererklärung an das Finanzamt entsprechend korrigiert.

Drei Wochen vor der Landtagswahl wird der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) von einer alten Finanz-Transaktion im vorigen Landtagswahlkampf eingeholt, die zu einer neuen Parteispendenaffäre werden könnte. (Foto: Foto: dpa)

In den vergangenen Tagen war ein alter E-Mail-Verkehr zwischen dem Organisator der Wählerinitiative, Tim Arnold, und dem Rüttgers-Intimus Boris Berger über Spendenpraktiken im Landtagswahlkampf 2005 an Medienvertreter lanciert worden. Vertreter der CDU und der Firma diskutierten damals, ob die 10.000 Euro als Parteispende verbucht werden sollten. Da das Unternehmen einen Betrag in dieser Höhe nicht von der Steuer absetzen konnte, war die Zuwendung an die CDU-Wählerinitiative schließlich als Betriebsausgabe deklariert worden. Das Finanzamt wurde offenkundig über den wahren Sachverhalt getäuscht.

Unter der Betreffzeile "Entwarnung in Sachen Hella-Spende" hatte Arnold am 31. Mai 2005 die "lieben Wahlsieger" in der Düsseldorfer CDU-Landesparteizentrale informiert: "In einem weiteren Gespräch mit der Steuerabteilung von Hella ist es mir heute gelungen, wenige Stunden vor der von Hella gesetzten Deadline eine Einigung zu erzielen: Es bleibt alles beim alten, wir brauchen nichts zurückzahlen." "Super - vielen Dank ..." antwortete ein CDU-Stratege.

Licht ins Affärendunkel

Das Eingeständnis, dass Parteimitarbeiter an offenkundig illegal verbuchten Wahlkampfzuwendungen als Betriebsausgaben beteiligt waren, bringt Rüttgers im laufenden Landtagswahlkampf in Erklärungsnot. Die SPD-Opposition hegt den Verdacht einer illegalen Parteienfinanzierung über "eine Tarnorganisation". Der Generalsekretär der NRW-SPD, Michael Groschek, hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) aufgefordert, "Licht ins Affärendunkel zu bringen".

Ein halbes Jahr nach der letzten NRW-Wahl wurde Rüttgers' Helfer Arnold, ehemals Assistent von Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff, zum Leiter der NRW-Vertretung beim Bund berufen. Die angeblich parteiunabhängige Wählerinitiative "Wähler für den Wechsel" hatte, wie aus Unterlagen der CDU hervorgeht, von Anfang an logistische und organisatorische Unterstützung aus der Parteizentrale erhalten. Ein Phänomen, das es bei allen Parteien gibt, aber für die Christdemokraten ist der Fall unangenehm, weil sie durch die Sponsoring-Affäre bereits in den vergangenen Wochen in den Verdacht klebriger Geldgeschichten geraten sind.

In großformatigen Zeitungsanzeigen ("Wir wollen den Wechsel. Wir wählen Jürgen Rüttgers") hatten 100 Unternehmer für die Abwahl der rot-grünen Landesregierung getrommelt. Offenkundig gab es auch bislang unbekannte finanzielle Querverbindungen zwischen der Initiative und der Rüttgers-Partei. "Übrig bleibt nur meine Bitte, den Stand des CDU-Kontos 'Wähler für den Wechsel' zu überprüfen und sicherzustellen, dass alle Spenden auf diesem Konto bei der Danksagungsaktion berücksichtigt werden", mailte Arnold nach dem Wahlsieg am 31. Mai 2005 an die CDU-Zentrale.

Kein Konto bei der CDU

CDU-Landeschef Rüttgers verwies am Dienstag auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung zu dem Vorgang auf eine Stellungnahme seiner Parteizentrale. Der Sprecher der NRW-CDU, Matthias Heidmeier, sagte, es habe "für die Aktivitäten der Wählerinitiative kein Konto bei der CDU gegeben."

Aus der SZ vorliegenden Vermerken geht hervor, dass die CDU-Zentrale und ihre damalige PR-Agentur im Landtagswahlkampf auch eine Arbeitslosen-Initiative für Rüttgers initiiert und gesteuert hatten. "In Sachen Aktion ,Arbeitslose vor der Staatskanzlei" , schlug ein damaliger Kampagnen-Planer den Rüttgers-Strategen vor, dass "nicht die CDU als Absender, sondern noch eine exakt zu benennende 'Wähler-Initiative' auftreten". In "mindestens zehn Arbeitsagenturen" seien die Arbeitslosen "für eine Fotostrecke vor der Staatskanzlei zu rekrutieren".

© SZ vom 21.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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