Südosteuropa:Nationalisten in Skopje heizen Namensstreit erneut an

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Provokante Wortwahl bei der Vereidigung: Gordana Siljanovska-Davkova, neue Präsidentin von Nordmazedonien. (Foto: Boris Grdanoski/dpa)

Die Präsidentin von Nordmazedonien nennt ihr Land bei der Vereidigung lediglich "Mazedonien". Warum sie damit neue Spannungen in der Region auslöst.

Von Florian Hassel, Belgrad

Als ehemalige Rechtsprofessorin in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje wusste Gordana Siljanovska-Davkova, was sie tat, als sie den Eid als neue Präsidentin ihres Landes ablegte. Statt von der "Republik von Nordmazedonien" sprach sie nur von "Mazedonien". Und so goss die bekennende Nationalistin Öl in ein Feuer, das Europa bereits gelöscht glaubte.

Als das früher zu Jugoslawien gehörende Mazedonien 1991 unabhängig wurde, weigerte sich Griechenland, dessen nördliche Region ebenfalls Mazedonien (Makedonien) heißt, den neuen Nachbarn anzuerkennen und ihm den Weg in die Europäische Union zu öffnen. Und viele Jahre lang schürten in Skopje die regierenden Nationalisten der Partei VMRO-DPMNE unter dem korrupten Autokraten Nikola Gruevski den Konflikt, indem sie das mazedonische Erbe bis zu Alexander dem Großen für sich reklamierten.

Der Weg in die EU blieb weiter verschlossen

Doch nachdem das Regime Gruevski 2016 abgelöst wurde, unterschrieben der sozialdemokratische Ministerpräsident Zoran Zaev und der damalige griechische Premier Alexis Tsipras am Prespasee im Juni 2018 einen Vertrag, wonach sich der junge Staat in "Republik von Nordmazedonien" umbenennen würde. Die Mazedonier segneten die Änderung per Referendum ab, das für Verfassungsänderungen zuständige Parlament nahm die notwendigen Verfassungszusätze am 11. Januar 2019 an. In der Folge kam Nordmazedonien immerhin in die Nato.

Der Weg in die EU allerdings blieb weiter verschlossen. Denn bulgarische Nationalisten beharrten darauf, dass die Nordmazedonier verkappte Bulgaren seien. Nach massivem Druck durch die EU und Frankreich hob Bulgarien im Juni 2022 sein Veto gegen einen EU-Beitritt Nordmazedoniens auf - forderte allerdings als Bedingung, dass Nordmazedonien den Status seiner bulgarischen Minderheit ausdrücklich anerkennt. Diese Verfassungsänderungen aber finden im nordmazedonischen Parlament bis heute keine Mehrheit.

Der Chef der Nationalisten in Skopje will nachverhandeln

In Skopje stehen die Nationalisten nach einer gewonnenen Parlamentswahl vom 8. Mai vor der Bildung einer Regierungskoalition. Der Chef der Partei VMRO-DPMNE, Hristijan Mickoski, sagte im Wahlkampf, mit ihm würden die Änderungen nicht genehmigt; stattdessen wolle er nachverhandeln.

Dass sich die Bulgaren darauf einlassen, ist unwahrscheinlich, ebenso wie ein Nachgeben Griechenlands. In Athen waren die Konservativen 2018 in der Opposition und gegen den Kompromiss zu Nordmazedonien. Doch heute erkennen Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und seine Regierung das Prespa-Abkommen ausdrücklich an als "ratifizierten internationalen Vertrag, der über jeder anderen legalen Bestimmung steht" - anders als die Nationalisten in Skopje.

Die griechische Botschafterin verließ den Saal

Gordana Siljanovska-Davkova ignorierte bei ihrer Vereidigung zur Präsidentin am 12. Mai die Aufforderung des Parlamentspräsidenten, den Amtseid auf die "Republik von Nordmazedonien" abzulegen. Die griechische Botschafterin verließ aus Protest den Saal. Ministerpräsident Mitsotakis schimpfte in Athen, Siljanovska-Davkova habe "sowohl das Prespa-Abkommen wie die Verfassung ihres Staates gebrochen". Tatsächlich bestimmt Artikel 81 der nordmazedonischen Verfassung, dass ein neuer Präsident vor der Amtsübernahme "im Parlament eine ernsthafte Erklärung seines Einsatzes für die Verfassung und die Gesetze abgibt".

Die EU und das Auswärtige Amt ermahnten Skopje, sich an das Prespa-Abkommen zu halten. EU-Delegationsleiter David Geer lud die neue Präsidentin am Dienstag zum Gespräch. Siljanovska-Davkovas Büro aber verkündete lediglich, die Präsidentin werde im offiziellen Schriftverkehr den Namen "Republik von Nordmazedonien" verwenden. Bei öffentlichen Auftritten aber habe sie "das Recht, den Namen Mazedonien zu verwenden, als Akt des persönlichen Rechts auf Selbstbestimmung und Selbstidentifizierung".

In Athen kommentierte die konservative Tageszeitung Kathimerini, noch sei offen, ob die neue Präsidentin, die offenbar "die Realitäten von Politik und Geopolitik nicht kennt", sich lediglich einen Akt von "patriotischer Großspurigkeit" geleistet oder eine Anweisung der Nationalisten befolgt habe, die sie ins Amt gebracht hätten. Klarheit werde es wohl erst geben, wenn der kommende Regierungschef Mickoski seine erste Regierungserklärung abgebe. Beharrt die neue Regierung in Skopje auf dem Namen "Mazedonien", dürfte Athen zum Veto gegen einen EU-Beitritt zurückkehren.

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