Nordmazedonien:EU-Mitgliedschaft auf  Widerruf

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Stevo Pendarovski ist seit Mai Präsident Nordmazedoniens. (Foto: Ludovic Marin/AFP)

Präsident Stevo Pendarovski überrascht mit einem Vorschlag für die Beitrittsgespräche zur Europäischen Union. Damit will er die Kritik aus Frankreich entkräften, das den Beginn von Verhandlungen blockiert hatte.

Von Daniel Brössler, Berlin

Der nordmazedonische Präsident

Stevo Pendarovski kann sich eine EU-Mitgliedschaft auf Widerruf vorstellen. "Warum neue Mitglieder nicht ausschließen, wenn sie sich von der Demokratie wieder entfernen?", sagte Pendarovski der Süddeutschen Zeitung. Diesen Vorschlag habe er dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach dessen Veto gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien unterbreitet. Frankreich hatte den Beginn der Gespräche im Oktober blockiert, obwohl die EU-Kommission deren Beginn empfohlen und die Führung in Skopje mit der Umbenennung des Landes in Nordmazedonien einen jahrelangen Streit mit Griechenland beigelegt hatte. Für die Bürger seines Landes sei das eine "böse Überraschung" gewesen, sagte Pendarovski.

Verständnis zeigte der Präsident allerdings für die Kritik Macrons am Beitrittsverfahren. "Mehr oder weniger stimmt jeder in der Europäischen Union mit der Forderung überein, eine bessere Methodik, bessere Kandidaten und später bessere Mitglieder zu haben", sagte er. "Der Aufstieg des Autoritarismus in Europa hat auch damit zu tun, dass einige der Prozesse eher bürokratisch als echt waren", räumte Pendarovski ein. Sowohl gegen Polen als auch Ungarn laufen derzeit Verfahren, weil ihnen Verstöße gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundprinzipien der EU vorgeworfen werden.

Ob der Beginn der Beitrittsverhandlungen nun wie erhofft im Frühjahr gelinge, hänge davon ab, ob sich die EU wie von Frankreich gefordert auf eine neue Methodik verständige. "Wir können uns über Präsident Macron ärgern, aber das bringt nichts", sagte Pendarovski. Macron habe ihm versichert, dass nun die EU am Zuge sei, da sie einen "inneren Prozess der Reflexion" benötige.

Pendarovski äußerte aber Kritik am "Timing". Seit Jahren versichere die EU, "dass unser Land alle Kriterien erfüllt, um die Verhandlungen zu beginnen, bis auf den Namensstreit mit Griechenland". Der sei nun gelöst. Ein Fehler sei die Namensänderung aber in keinem Fall gewesen, da sie auch den Weg für den Beitritt zur Nato freigemacht habe. Diese sei seit den Neunzigerjahren eine Priorität seines Landes. "Wir haben ab 1992 den Bosnienkrieg erlebt und 1999 den Kosovokrieg. Beide Länder sind unsere Nachbarn. Das Wichtigste für unsere Bürger war es, wie wir unsere Grenzen und unsere territoriale Integrität schützen", sagte er. "Die Nato war damals unsere verlässlichste Option und sie ist es noch", betonte er. Kurz nach dem französischen Nein zur Eröffnung von EU-Verhandlungen habe das Parlament in Paris den nordmazedonischen Nato-Beitritt ratifiziert, hob Pendarovski hervor. "Wir bereiten uns mit einem kleinen Kontingent auf die Teilnahme an französisch geführten Missionen in Afrika vor", kündigte er an.

Eine Abkehr seiner Bürger von der Europäischen Union sei vorerst nicht zu befürchten, sagte Pendarovski. "In den letzten zehn bis 15 Jahren war die EU- und Nato-Mitgliedschaft kein Streitthema. Wir gehörten immer zu den Kandidatenländern mit der höchsten Zustimmung zum Beitritt", versicherte er. In Europa stehe der westliche Balkan allerdings derzeit "am unteren Ende der politischen Prioritäten", kritisierte er. Viele hätten die Flüchtlingskrise 2015 vergessen, "als Millionen Menschen die so genannte Balkanroute genommen haben. Das könnte sich wiederholen. Es wäre falsch, in diesen Ländern eine Pufferzone zu sehen".

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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