Süddeutsche Zeitung

Nordkoreas Atombombentest:Fausthieb mit Ansage

Kim Jong Un will seine Macht demonstrieren. Doch der Atombombentest liefert auch wichtige Informationen über den Stand der nordkoreanischen Rüstungsbemühungen. Warum der Diktator gerade jetzt mit dem Feuer spielt und wie die Weltgemeinschaft reagieren kann: die wichtigsten Fakten.

Von Michael König und Johannes Kuhn

Die Anzeichen hatten sich verdichtet: Als die nordkoreanische Armee in der vergangenen Woche Straßensperren rund um das Atomtestgelände nahe der Ortschaft Punggye Ri errichtete und Personal sowie Militärgerät abzog, wuchs in Südkorea die Unruhe. Die Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Nordkorea hat im bergigen Nordosten erneut unterirdisch eine Atombombe gezündet.

Diktator Kim Jong Un hat den Zeitpunkt für seine Machtdemonstration dabei bewusst gewählt. Am Abend wird US-Präsident Barack Obama in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation vor den amerikanischen Kongress treten; Nordkorea wird nun sicherlich Erwähnung finden - nach der David-gegen-Goliath-Logik des Regimes eine enorme Aufwertung ihres Landes. Zudem wollte Kim die designierte südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye, die am 25. Februar ihr Amt antritt, womöglich nicht gleich zum Amtsantritt brüskieren.

Nach Schätzungen des südkoreanischen Verteidigungsministeriums besaß die getestete Atombombe eine Sprengkraft von sechs bis sieben Kilotonnen. Das ist deutlich mehr als bei den Tests 2006 und 2009, als diese jeweils bei ein bis zwei Kilotonnen lag - allerdings auch deutlich weniger als beispielsweise die etwa 15 Kilotonnen der amerikanischen Bombe auf Hiroshima 1945.

Ob der Versuch erfolgreich war, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen. Die Atombombenzündung 2006 gilt als Fehlschlag, 2009 gelang es Pjöngjang, eine Plutoniumbombe zu zünden. Sollte dieses Mal Uran zum Einsatz gekommen sein, wäre dies ein Beweis für deutliche Fortschritte beim nordkoreanischen Atomprogramm. Bereits jetzt verbreiten die Staatsmedien, dass die Explosion "keine negativen Effekte auf die Umwelt der Umgebung" gehabt habe. Eine Bombe ohne radioaktive Gase, so analysierte vor wenigen Tagen der Politologe John Swenson-Wright in der BBC, könnte den Norden dazu bringen, "gemeinsame Atomversuche mit Staaten wie Iran zu forcieren die womöglich die Chance gerne nutzen, heimlich zu testen". Einige amerikanische Offizielle vermuten sogar, dass es sich bereits jetzt um einen Zwei-Länder-Test handelt.

Dass sich Kim mit seiner nuklearen Machtdemonstration verstärkt internationalem Druck aussetzt, ist auch innenpolitischen Gründen geschuldet. In seiner einjährigen Amtszeit hat er das Machtzentrum weg vom Militär und näher an die Partei gerückt. Umso wichtiger ist es für Kim, der Armee zu signalisieren, dass die Aufrüstung weiterhin ein Kernziel des Regimes bleibt.

Zudem soll der als patriotische Heldentat verkaufte Atomtest der "stillen Öffnung" des Landes entgegenwirken. Eine gleichnamige Befragung von Flüchtlingen durch die Beratungsfirma Intermedia zeigt, dass Nordkoreaner "mehr denn je über die Außenwelt erfahren" und "weniger ängstlich" seien, ihre Erkenntnisse mit anderen Nordkoreanern zu teilen. Immerhin ein Fünftel der Exil-Nordkoreaner gab an, trotz drakonischer Strafen, ausländische TV- und Radiostationen als wichtigste Nachrichtenquelle genutzt zu haben. "Eine positive Sichtweise auf die Außenwelt könnte die Menschen an der wichtigsten Propaganda-Botschaft ihrer Führung zweifeln lassen, wonach das Regime sie vor den feindlichen Mächten im Ausland beschützt", folgert die Studie (PDF).

China, der engste Verbündete Nordkoreas, verfolgt das Treiben des Diktators mit gemischten Gefühlen. Zwar ist Peking noch immer der wichtigste Partner Kim Jong Uns. Ohne die wirtschaftliche und politische Unterstützung des Nachbarn wäre das Regime nicht überlebensfähig. Ein Bruch der Partner gilt zwar weiterhin als ausgeschlossen, doch die Geduld Pekings ist deutlich geschrumpft: "Wir würden es begrüßen, wenn das Land seine Wirtschaft entwickeln und die Lebensbedingungen seiner Bevölkerung verbessern würde", ließ das chinesische Außenministerium jüngst ungewohnt deutlich verlauten. China könnte zumindest, wie bereits im Dezember, einer Verschärfung der Sanktionen im UN-Sicherheitsrat zustimmen - doch ob diese wirklich helfen würden, um Nordkorea wieder zu Verhandlungen über das Atomprogramm zu zwingen, weiß nur der starke Mann in Pjöngjang.

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