Süddeutsche Zeitung

Nordkoreanische Botschaft in Berlin:Beim Diktator sind noch Zimmer frei

Nordkoreas Diplomaten finanzieren mit dubiosen Geschäften das Regime, auch den Kauf von Waffen. Eine der Geldquellen ist ein Gästehaus mitten in Berlin. Die Bundesregierung will dem ein Ende setzen.

Von Georg Mascolo

Am 9. September 2016 registrierten Erdbebenwarten in aller Welt ein Beben der Stärke 5,3. Als Epizentrum wurde das nordkoreanische Punggye-ri ausgemacht. Hier liegt das Testgelände, auf dem das stalinistische Regime seit Jahren seine selbstentwickelten Nuklearwaffen zündet. Kurz darauf meldeten die Staatsmedien triumphierend, man habe einen neuartigen Sprengkopf getestet. Pünktlich zum Nationalfeiertag sei nun zum fünften Mal die Zündung einer Nuklearwaffe gelungen.

Die Welt war wieder einmal empört, der nordkoreanische Botschafter wurde ins Auswärtige Amt einbestellt, und aus Protest blieben an diesem Tag sogar chinesische Diplomaten dem traditionellen Empfang zum Nationalfeiertag in der nordkoreanischen Vertretung an der Glinkastraße in Berlin fern.

Nur ein paar Freunde aus DDR-Zeiten beugten sich über das Büfett aus scharfem Tintenfisch und Schweinebraten auf Kohlgemüse. Der Gastgeber, Botschafter Ri Si-hong, gab sich gelassen. Die Proteste seien Routine, das kenne man schon. "Unser Land ist stark und widerstandsfähig, dank unseres großen Führers", sagte Ri Spiegel Online.

In diesen Tagen nun droht der Konflikt um Nordkorea zu eskalieren. US-Geheimdienste befürchten, dass das Land inzwischen alle sechs bis sieben Wochen einen neuen Atomsprengkopf produzieren kann. Hinzu kommt die Entwicklung von Langstreckenraketen, die theoretisch auch einmal die amerikanische Westküste erreichen könnten. US-Präsident Donald Trump droht Pjöngjang. Es ist eine gefährliche Mischung aus großen Egos und schrecklichen Waffen auf beiden Seiten.

In dieser Situation scheint die Bundesregierung entschlossen zu sein, dem Regime zu demonstrieren, dass es nicht bei Worten bleibt. Eine neue Runde von Sanktionen wird vorbereitet, die Nordkorea und seine Dependance in Berlin hart treffen sollen. Ein seit 2004 auf dem Gelände der Botschaft betriebenes Cityhostel und ein Kongresszentrum sollen geschlossen werden.

Nordkorea hat einen Teil seines großen Botschaftsgeländes untervermietet, um Devisen zu erwirtschaften. 38 000 Euro Miete im Monat zahlt angeblich allein der Hostel-Betreiber. Ein lukratives Geschäft.

Leben mit Sanktionen - Nordkorea zeigt sich erfindungsreich

Möglich wird die Schließung durch neue Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat bereits direkt nach dem fünften Atombombentest verhängte. Eine eigene Klausel untersagt die Untervermietung oder Verpachtung diplomatischer Einrichtungen. Die Bundesregierung hatte in New York darauf gedrungen, aber die Sache zog sich hin.

Erst musste das Kabinett die Außenwirtschaftsverordnung ändern, um gegen die Betreiber von Hostel und Kongresszentrum ein Bußgeld verhängen zu können, wenn sie die Pachtverträge nicht beenden. Dann befand das Justizministerium - anders als die anderen beteiligten Ressorts -, dass die UN-Sanktionen womöglich doch nur für künftige, aber nicht laufende Geschäfte gelten würden.

Nordkorea lebt wie kein anderer Staat seit Jahrzehnten mit harten Sanktionen. Aber kein Land hat sich so erfindungsreich erwiesen, dennoch an Geld zu kommen. Die Devisen dienen der Beschaffung von Luxusgütern für die herrschende Kaste, sie fließen in die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen oder finanzieren den Botschaftsbetrieb im Ausland. Das Bare stabilisiert die Diktatur, auf deren Zusammenbruch noch jeder amerikanische Präsident seit Ende des Koreakrieges 1953 erfolglos gehofft hat.

Eine zentrale Rolle bei der Beschaffung von Geld spielen nach Angaben von nordkoreanischen Überläufern die Botschaften in aller Welt. Diplomaten des Regimes wurden schon beim Schmuggel von Elfenbein, Rhinozeros-Hörnern oder Gold erwischt. Sie verkaufen Viagra und unverzollten Alkohol. In Bangladesch flog im vergangenen Jahr ein Diplomat auf, der versuchte, 1,6 Millionen Zigaretten illegal ins Land zu bringen.

Immer wieder geht es auch um Waffen. In Berlin fiel Ende der Neunzigerjahre ein nordkoreanischer Diplomat auf, der versucht haben soll, Hand in Hand mit Kriminellen Waffen und Heroin zu vertreiben. Zu den groben Verstößen kommt eine hartnäckige Weigerung, sich überhaupt an irgendwelche Regeln zu halten. Die Berliner Polizei erwischte Botschafter Ri einmal beim Angeln ohne Genehmigung. Sie belehrte ihn, dass dies nicht zulässig sei. Im Polizeibericht heißt es, der Diplomat habe dies "wohlwollend und lächelnd" zur Kenntnis genommen, "und setzte die Straftat fort".

Hostel-Betreiber gelten als findig

Sogenannte statuswidrige Aktivitäten gibt es ohnehin ständig, die Diplomaten sind eher Händler. Ganze Paletten Nutella, Haarshampoo oder Bier lassen sie in ihre Heimat verschiffen. Sogar beim Versuch, ein China-Restaurant in Berlin-Mitte zu eröffnen, wurden sie einmal ertappt.

Berlin gilt als eine der bedeutendsten Vertretungen des Regimes, auch wenn dort heute keine zehn Diplomaten mehr akkreditiert sein sollen; zu DDR-Zeiten waren es rund 100. Sie residieren mitten im Regierungsviertel zwischen Reichstag und Finanzministerium. Das Gelände, vor dem ein Schaukasten die Errungenschaften des jeweils aktuellen Diktators der Kim-Dynastie preist, ist ein Erbe der engen Beziehungen mit der DDR. Pjöngjang bot nach dem Fall der Mauer Erich Honecker Asyl an.

Offenbar bereits 2004 nutzte die Botschaft die erstklassige Lage und die für die Diplomaten inzwischen viel zu große Vertretung für besondere Geschäfte. Ein Flügel wurde geräumt, Renovierungstrupps rückten an. Aus einem Teil der Botschaft wurde das Cityhostel Berlin, das mit einem Platz im Vier-Bett-Zimmer ab 17 Euro und einem Frühstück für 5,50 Euro lockt.

Die Betreiber gelten als findig: Vor dem Berlin-Marathon bieten sie etwa eine All-You-Can-Eat-Nudel-Party an. Es gibt einen Kicker, einen Billard-Tisch und eine Basement-Lounge. Hier im Keller, am Ende eines langen Ganges, versperrt eine Stahltür den Übergang zu den nordkoreanischen Nachbarn.

Das Hostel "am Puls dieser Metropole" (Eigenwerbung) ist stets gut gebucht, große Portale wie Booking oder Trip Advisor bieten es an. Ebenso gut sollen die Geschäfte des Kongresszentrums ("exklusive Top-Anschrift") gehen. Auch an anderen Orten sind die Nordkoreaner schon mit schrägen Untervermietungen aufgefallen. Aber Berlin gilt als besonders lukrativ.

Nun sollen diese Geschäfte ein Ende finden. Die Bundesregierung beruft sich auf UN-Resolution 2321, diese wurde zwei Monate nach dem bisher letzten Atomtest verabschiedet und verbietet solche Geschäfte ausdrücklich. Im Auswärtigen Amt ist man auf eine Doppelstrategie bedacht: Einerseits eine harte Durchsetzung der Sanktionen, "um Nordkorea zurück an den Verhandlungstisch zu bringen". Andererseits kein Schlagabtausch mit dem Regime.

Botschaft unter besonderer Beobachtung

Deutschland hat eine Vertretung in Pjöngjang, und das unberechenbare Regime hat schon in der Vergangenheit immer wieder gedroht. Einmal hieß es 2013 sogar, Deutschland solle seine Diplomaten "zu ihrer eigenen Sicherheit" besser abziehen. Es war einer der Fälle, in denen nordkoreanische Diplomaten sich im Auswärtigen Amt nach eigenen Angaben "in deutlichen Worten" anhören mussten, dass ihr Verhalten wieder einmal unerträglich sei. Solche Mahnungen sind noch die regelmäßigsten Gespräche zwischen der Bundesregierung und Kims Vertretern in Berlin.

Unter besonderer Beobachtung steht die Vertretung ohnehin. Altgediente Beamte erinnern sich gut an die Zeiten, als nordkoreanische Diplomaten vor allem bei deutschen Firmen versuchten, Bauteile für ihr Atomprogramm zu kaufen. Der Grund hierfür ist, dass der Spaltstoff für die Bombe offenbar nicht mehr nur aus dem nordkoreanischen Reaktor kommt.

Nordkorea soll bereits vor Jahren funktionierende Kaskaden für die Uran-Anreicherung gebaut haben. Auch dieser Weg führt zur Bombe. Die Pläne hierfür kamen nach Ermittlungen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA aus Pakistan nach Nordkorea, ein pakistanischer Atomwissenschaftler hatte sie zuvor in Europa gestohlen.

Die sogenannte Zentrifugen-Technologie stammt weitgehend aus Deutschland - was Versuche erklärt, ausgerechnet bei deutschen Firmen notwendige Bau- und Ersatzteile zu beschaffen. In der Vergangenheit musste die Bundesregierung schon Schiffe auf hoher See stoppen lassen, um die Auslieferung von Zentrifugen-Teilen an Nordkorea zu verhindern.

"Musterfall eines Risikostaates"

Inzwischen gilt als wahrscheinlich, dass die meist verdeckt abgewickelten Käufe fast immer rechtzeitig erkannt und verhindert werden. In der Bundesregierung hat dies oberste Priorität. Nordkorea baut Massenvernichtungswaffen längst nicht mehr nur für sich selbst. Um Geld zu machen, verkauft sie diese auch. So wie zuletzt offenbar einen ganzen Atomreaktor an Syrien, den die israelische Luftwaffe 2007 bombardierte.

Der Verfassungsschutz nannte das Regime einmal den "Musterfall eines Risikostaates". Berlin will sich nicht vorwerfen lassen, nicht alles zu tun, um die dortigen Machthaber zu stoppen. Und wenn es nur durch die Schließung eines Hostels und eines Kongresszentrums in Berlin-Mitte ist.

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SZ vom 10.05.2017/gal
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