Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Wissen, dass man nichts weiß

Drei Wochen lang hat die Welt über den Gesundheitszustand von Kim Jong-un gerätselt. Nun ist er angeblich wieder aufgetaucht. Was wäre, wenn er stirbt? Diese Frage, so scheint es, ist nicht geregelt.

Von Christoph Giesen

Tod? Koma? Herzinfarkt? Oder vielleicht Corona? Drei Wochen wurde über den Gesundheitszustand von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gerätselt. Nun ist er angeblich wieder da, die Spekulationen und Gerüchte scheinen sich nicht bewahrheitet zu haben. Wieder einmal hat sich gezeigt, wie wenig die Welt über diese Erbdiktatur weiß.

Und doch: Was wäre, wenn? Wenn Kim auf einmal nicht mehr amtsfähig sein sollte? Dass er keinen gesunden Lebenswandel pflegt, kann jeder sehen, dazu muss man keine Geheimdienstdossiers lesen. Kim ist Kettenraucher, trinkt viel und ist übergewichtig, erblich vorbelastet ist er auch. Sein Opa und sein Vater starben an Herzinfarkten. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat Kim die Nachfolge jedoch nicht geregelt. Bei Staatsgründer Kim Il-sung stand 14 Jahre vor dem Tod fest, dass sein Sohn Kim Jong-il die Macht erben wird - genug Zeit, um den Apparat einzustimmen. Als Kim Jong-il Ende 2011 starb, war Kim Jong-un zwei Jahre zuvor auserkoren worden. Als 27-Jähriger übernahm er. Bereits das war ein fragiler Moment, die Generäle und Kader fügten sich.

Ohne einen designierten Nachfolger droht dem System jedoch ein offener Machtkampf. Chaos in einem Land, das genügend Uran für Dutzende Atombomben angereichert hat. Eine sehr beunruhigende Vorstellung.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2020
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