Nordkorea:Von heiter bis bedauerlich

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USA und Nordkorea sind weiterhin uneinig, wie die atomare Abrüstung aussehen soll.

Von Alan Cassidy, Washington

Ungewisser Ausgang: US-Außenminister Mike Pompeo (links) und Kim Yong-chol, enger Vertrauter von Staatschef Kim, beim Treffen in Pjöngjang. (Foto: Andrew Harnik/Pool/Reuters)

Hört man Donald Trump zu, ist die Sache ganz einfach: "Nordkorea ist keine nukleare Bedrohung mehr." So sagte es der US-Präsident nach seinem Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un in Singapur, so sagte er es auch vor wenigen Tagen wieder in einer Rede vor Anhängern: "Wir haben ein wunderbares Papier unterzeichnet, in dem steht, dass sie das ganze Ding denuklearisieren." Tatsächlich lässt das "wunderbare Papier" von Singapur sehr vieles offen. US-Außenminister Mike Pompeo flog deshalb am Wochenende nach Pjöngjang, um Klarheit zu schaffen, wie diese Denuklearisierung aussehen soll. Er erhielt sie nicht.

Zumindest nicht, wenn man sich an die Reaktion hält, die Nordkorea kurz nach Pompeos Abreise verbreitete. Das Treffen mit der US-Delegation sei "bedauerlich" gewesen, hielt das Außenministerium in Pjöngjang in einer Stellungnahme fest. Man habe erwartet, dass die Amerikaner mit einem "konstruktiven Vorschlag" anreisen würden. Stattdessen hätten sie bloß die "unilaterale und gangstermäßige Forderung" gestellt, dass Nordkorea eine nukleare Abrüstung durchführe. Dies sei mit dem Geist des Gipfels von Singapur unvereinbar. Pompeo habe mit seinem Verhalten das "Kriegsrisiko" wieder erhöht.

Das nordkoreanische Regime klang damit ganz anders als der US-Außenminister. Dieser hatte zum Abschluss der zweitägigen Gespräche mit Kim Yong-chol, einem Vertrauten von Machthaber Kim, eine positive Bilanz gezogen - und er wiederholte diese Einschätzung am Sonntag, als er in Tokio unter anderem den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe traf. Die Gespräche mit den Nordkoreanern seien in gutem Glauben geführt worden, sagte er. Angesprochen auf die Vorwürfe aus Pjöngjang, sagte er: Wenn die Forderung der USA nach einer nuklearen Abrüstung Nordkoreas gangstermäßig sei, "dann ist die ganze Welt ein Gangster". Der UN-Sicherheitsrat wolle schließlich dasselbe.

Die unterschiedlichen Darstellungen der Gespräche spielte Pompeo herunter. Es habe von den Nordkoreanern keinen Widerspruch gegeben, als man über den Umfang der Denuklearisierung gesprochen habe. "In fast allen zentralen Fragen" seien Fortschritte erzielt worden, und das Regime meine es ernst mit seinen Zusagen einer vollständigen Denuklearisierung. Arbeitsgruppen würden nun Details etwa zur Überprüfung der Abrüstungsschritte ausarbeiten. Der US-Außenminister bekräftigte auch, dass die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Pjöngjang so lange in Kraft bleiben würden, bis Nordkorea eine "endgültige" Abrüstung durchgeführt habe.

In Washington stellen sich nun viele auf den Standpunkt, dass das eben so sei mit Nordkorea: Rückschläge und Drohungen gehörten dazu, der Start-Stopp-Betrieb sei diplomatischer Normalfall. Andere sehen sich nach der Reaktion aus Pjöngjang in ihrer Sichtweise bestätigt, wonach die Kluft zwischen der euphorischen Rhetorik des Singapur-Gipfels und der diplomatischen Realität groß ist. "Das ist ein sehr schlechtes Zeichen", sagte Joseph Yun, der bis Anfang dieses Jahres im US-Außenministerium für Nordkorea zuständig war, gegenüber dem Wall Street Journal. Es sei aber zu früh zu sagen, dass dies bereits das Ende der Annäherung sei. Wahrscheinlich wolle Nordkorea die Erwartungen der USA komplett herunterschrauben.

Es gebe offensichtlich eine "kognitive Dissonanz" zwischen der Position der USA und jener Nordkoreas, schrieb Richard Haass, Präsident des Thinktanks Council on Foreign Relations, auf Twitter. Trump stehe vor einer Entscheidung: Entweder er behaupte weiter, es laufe alles bestens und verschließe die Augen vor der Gefahr eines Kriegs, oder er akzeptiere, dass es nun ernsthafte Diplomatie brauche. "Jetzt wird es wieder brenzlig", twitterte Susan Rice, die frühere Sicherheitsberaterin von Präsident Barack Obama. Wenn Trump erst realisiere, dass er von Kim ausgetrickst worden sei, werde Trump seine Ehre retten wollen - und die Gefahr einer Eskalation nehme wieder zu.

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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