Nordkorea:Verhaftung als Kontaktaufnahme

Pjöngjang hat offenbar einen Amerikaner verhaftet. Paradoxerweise könnte es ein Versuch sein, mit Washington ins Gespräch zu kommen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea hat den Amerikaner Tony Kim verhaftet. Schwedens Botschaft in Pjöngjang teilte dies am Sonntag mit, sie vertritt konsularisch auch Washington, das mit Pjöngjang keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Zwei US-Bürger sitzen in Nordkorea bereits Strafen ab: Otto Warmbier und Kim Dong-chul.

Was der Norden Tony Kim vorwirft, ist nicht bekannt, auch hat es bisher seine Verhaftung nicht bestätigt. Sie geschah am Samstag am Flughafen Sunan von Pjöngjang, als Kim ausreisen wollte. Der koreanischstämmige Mittfünfziger unterrichtete an Pjöngjangs technischer Universität Buchführung. Zuvor lehrte er auch schon in Chinas autonomer koreanischer Präfektur Yanbian. Er soll sich in humanitären Hilfsorganisationen engagiert haben.

Der 22-jährige Warmbier wurde 2016 in Pjöngjang zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt, weil er im Personalbereich seines Hotels ein patriotisches Propagandabanner gestohlen hatte. Kim Dong-chul sitzt zehn Jahre wegen Spionage ab. Immer wieder hat Nordkorea US-Bürger verhaftet, um sie als Faustpfand für Verhandlungen mit den USA einzusetzen. Als 2009 zwei US-Journalistinnen wegen illegaler Einreise an der Grenze zu China verhaftet und zu zwölf Jahren Arbeitslager verurteilt wurden, gelang es Pjöngjang, einen Besuch Bill Clintons für ihre Freilassung zu erwirken. Der Ex-Präsident holte sie in Pjöngjang ab. Sie behaupteten später, nordkoreanische Grenzsoldaten hätten sie auf chinesischem Boden verhaftet. Dem widersprachen südkoreanische Aktivisten, sie kritisierten, mit ihrer Sorglosigkeit hätten die Frauen ein Fluchthilfenetz platzen lassen.

Auch James Clapper, Barack Obamas Spionage-Chef, holte zwei Amerikaner aus Pjöngjang ab, im November 2014: den Missionar Kenneth Bae und Matthew Miller, der nach Nordkorea gereist war, um sich verhaften zu lassen. Auch Ex-Präsident Jimmy Carter und New Mexicos früherer Gouverneur Bill Richardson holten schon verhaftete US-Bürger aus Nordkorea.

Obwohl es dies bestreitet, hat Pjöngjang die hochrangigen Abhol-Besuche nicht nur für Propaganda im Land benutzt - die Staatsmedien prahlten, Clinton habe dem Regime seine Aufwartung gemacht -, sondern auch zu informeller Kontaktnahme. Nordkorea setzt störende Ausländer meist ins nächste Flugzeug. Außer einem koreanischstämmigen Missionar aus Kanada hält es vor allem Südkoreaner zurück. Die 13 Amerikaner dagegen, die der Norden seit 1996 verhaftet hat, dienen Pjöngjang als Geiseln, um Washington in Gespräche zu verwickeln. US-Vize Mike Pence sagte, angesichts der Spannungen durch Nordkoreas Atomprogramm sei dies nicht der Moment, mit Pjöngjang zu reden. Dass Nordkorea wieder einen US-Bürger verhaftet, signalisiert aber: Es will mit Washington verhandeln, doch ohne Vorbedingung, als Atomstaat.

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