Nordkoreas Aufrüstung:USA und Südkorea bekräftigen atomare Abschreckung

Nordkoreas Aufrüstung: Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol (li.) und sein US-Amtskollege Joe Biden betonen in Washington die Bereitschaft ihrer Länder, einander zu verteidigen.

Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol (li.) und sein US-Amtskollege Joe Biden betonen in Washington die Bereitschaft ihrer Länder, einander zu verteidigen.

(Foto: Andrew Harnik/AP)

Angesichts nordkoreanischer Drohungen unterstreichen die Präsidenten beider Länder ihre Bereitschaft zu einem Gegenschlag. Doch wenn es um Atomwaffen geht, stößt Seoul auch auf Grenzen der eigenen Verteidigungspolitik.

Von Thomas Hahn, Tokio

Nordkoreas Regime ist am Ende, wenn es Südkorea oder die USA mit Atomwaffen angreift. Das haben US-Präsident Joe Biden und Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol sehr deutlich gemacht auf ihrem Gipfel in der US-Hauptstadt am Mittwoch. In der sogenannten "Washingtoner Erklärung", welche die beiden Staatsmänner vorstellten, bekennen sie sich zu einer "immer stärkeren Beziehung zur gegenseitigen Verteidigung".

Die Partner vertiefen demnach unter anderem die Zusammenarbeit beim Thema Atomwaffen: Südkorea wird stärker in die Entscheidungen unter dem nuklearen Schutzschirm der USA eingebunden. Die USA werden atomwaffenfähige U-Boote in die Gewässer um die Koreanische Halbinsel schicken. Und im Ernstfall soll eine "rasche, überwältigende und entschlossene Reaktion" folgen.

Joe Biden erklärte, was das heißt: "Ein nuklearer Angriff Nordkoreas auf die Vereinigten Staaten, ihre Verbündeten oder Partner ist inakzeptabel und wird das Ende eines jeden Regimes bedeuten, das eine solche Aktion durchführt."

In den vergangenen Monaten waren in Seoul Zweifel am Schutz durch die USA aufgekommen

Deutliche Worte, aber nicht wirklich neu. Und auch die Washingtoner Erklärung ist so etwas wie eine wegweisende Wiederholung. Einerseits ist sie nur eine Bestätigung dessen, was ohnehin klar war: Die USA haben sich immer zum Prinzip der erweiterten Abschreckung bekannt, also zur Pflicht eines Kernwaffenstaats, seine Partner im Ernstfall auch mit Kernwaffen zu schützen.

Andererseits ist die Erklärung im 70. Jahr der südkoreanisch-amerikanischen Allianz ein historisches Manifest, das aus mehreren Gründen nötig war: Seit Anfang 2022 hat Nordkorea ungewöhnlich viele Testraketen in die Meere um Korea gefeuert, teilweise auch Langstreckenraketen, mit denen man von Pjöngjang aus Washington treffen könnte. Machthaber Kim Jong-un verhandelt nicht mehr, er setzt nur noch militärische Zeichen. Die Staatsmedien in Pjöngjang dokumentieren demonstrativ Nordkoreas Aufrüstung.

Gerade in Seouls konservativen Kreisen schürt das Ängste. In den vergangenen Monaten waren Zweifel am Schutz durch die USA zu hören. Man debattierte, ob Südkorea nicht selbst Atomwaffen haben sollte. Die Washingtoner Erklärung beendet die Zweifel - und auch verwegene Fantasien zur Selbstverteidigung.

Neben der Washingtoner Erklärung ging aus dem Treffen zwischen Biden und Yoon noch ein allgemeines Statement zu den Positionen beider Länder hervor. Es umfasst Bekenntnisse zu Klimaschutz, diplomatischer Problemlösung und Freihandel. Aber auch Aspekte der Sicherheitspolitik. Südkorea stellt sich darin unmissverständlich auf die Seite der Ukraine und gegen "Russlands Angriffskrieg", wie es im Text heißt. Für ein Land, das nicht weit weg von Russland liegt und an das Putin-freundliche Nordkorea grenzt, ist das in dieser Klarheit nicht unbedingt selbstverständlich.

China, Südkoreas größter Handelspartner, wird zwar nicht namentlich erwähnt, aber darf sich angesprochen fühlen bei dem Bekenntnis "gegen alle einseitigen Versuche, den Status quo im Indopazifik zu verändern, einschließlich unrechtmäßiger maritimer Ansprüche, der Militarisierung beanspruchter Gebiete und Zwangsmaßnahmen". China erhebt Ansprüche auf die demokratisch regierte Insel Taiwan.

Die Amerikaner werden keine Atomwaffen in Südkorea stationieren

Die Washingtoner Erklärung bestimmt nun genauer, wie die militärische Zusammenarbeit in Zukunft funktionieren soll. Südkorea erklärt darin sein "volles Vertrauen in die US-Verpflichtung zur erweiterten Abschreckung". Die USA lassen sich dafür auf eine "tiefere, kooperative Entscheidungsfindung zur nuklearen Abschreckung" ein; zu diesem Zweck wird es ein neues Beratungsgremium geben, die Nuclear Consultative Group (NCG).

Die gemeinsamen Militärübungen gehen weiter, die erst unter Yoon wieder angefangen haben - unter dessen Vorgänger Moon Jae-in, Präsident bis Mai 2022, waren sie in der Hoffnung auf einen Friedensprozess weitestgehend ausgesetzt worden. Außerdem heißt es im Text, die USA würden "die regelmäßige Sichtbarkeit strategischer Mittel auf der Koreanischen Halbinsel weiter verbessern, wie der bevorstehende Besuch eines US-amerikanischen U-Boots für ballistische Raketen in der Republik Korea zeigt". Strategische Mittel heißt in diesem Fall Atomwaffen. "Republik Korea" ist Südkoreas offizieller Name.

Aber die Amerikaner werden keine Atomwaffen in Südkorea stationieren. In der Erklärung steht: "Präsident Yoon bekräftigte das langjährige Bekenntnis der Republik Korea zu ihren Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag als Eckpfeiler des globalen Nichtverbreitungsregimes." Das kann Yoon Suk-yeol seinen Parteifreunden in der konservativen PPP zeigen, wenn sie wieder an eigene Atomwaffen denken.

Ob es ihm selbst gefällt oder nicht: Yoon hat in Washington nicht nur das Bündnis mit den USA gestärkt. Er hat auch offiziell anerkannt, dass er mit Atomwaffen nicht beliebig Politik machen kann.

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