Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Sonderzug nach Peking

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un berät mit Chinas Staatschef Xi - das gilt als Indiz, dass ein weiteres Gipfeltreffen mit US-Präsident Trump bevorsteht.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ist am Dienstag mit einem Sonderzug in Peking eingetroffen. Am Nachmittag führte er ein erstes einstündiges Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Dabei soll es um die Beziehungen zwischen China und Nordkorea gegangen sein und um ein mögliches zweites Gipfeltreffen Kims mit US-Präsident Donald Trump. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap baten Xi und seine Frau die Gäste aus Nordkorea anschließend zum Dinner in die Große Halle des Volkes.

Begleitet wird Kim von seiner Frau Ri Sol-ju, seiner Schwester Kim Yo-jong, die oft als seine Stabschefin fungiert. Auch Außenminister No Kwang-chol und der im Juni ernannte Verteidigungsminister Ri Yong-ho reisten mit, überdies mehrere Generäle. Die Delegation soll vier Tage in China bleiben, über das Programm des Besuchs ist nichts bekannt. In Südkorea wird Kims Reise als Hinweis gedeutet, dass ein Treffen zwischen Kim und Trump unmittelbar bevorstehe. Südkoreanische Medien berichten, der Norden wolle die feststeckenden Gespräche auf Arbeitsebene mit den USA überspringen, damit Kim und Trump direkt verhandeln können. Trump bestätigte in den vergangenen Tagen, derzeit würde über einen Ort für ein Treffen gesprochen. Während Kims erste beiden Besuche in China vergangenes Jahr jeweils erst im Nachhinein bestätigt wurden, meldete die nordkoreanische Nachrichtenagentur das nun vierte Treffen mit Xi bereits kurz nach Kims Abreise. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder. Südkoreanische Experten sagen, damit wolle Pjöngjang einerseits demonstrieren, wie gut die Beziehungen zu Peking seien. Andererseits versuche Kim, Nordkorea als normales Land darzustellen. Das zeige auch seine Neujahrsansprache, deren Bildsprache schrittweise westlicher wurde. Dieses Mal trug er einen dunklen Anzug mit Krawatte und sprach erstmals im Sitzen.

Kims wichtigstes Ziel ist es, Xi und vor allem Trump eine Lockerung der Sanktionen abzuringen. Die von der UN verhängten Wirtschaftssanktionen zeigen seit einiger Zeit Wirkung, weil China sie anders als früher beachtet. Peking sah sich stets vor der Wahl, ein Nordkorea mit Atomwaffen zu dulden, oder mit scharfen Sanktionen die Stabilität von Kims Regime zu gefährden - lange schien den Chinesen eine Bombe Pjöngjangs das kleinere Übel zu sein.

Das änderte sich, als Trump Nordkorea 2017 mit Krieg zu drohen begann. US-Soldaten in Nordkorea wären für China von allen unerwünschten Varianten die übelste. Seither setzt China die Sanktionen hart durch, obwohl es so die Wirtschaft seiner Nordwest-Region entlang der Grenze schwächt. Allerdings unterstützt Peking - und deutlicher noch Moskau - Kims Forderung nach einer Lockerung, seit der 35-Jährige angekündigt hat, er wolle nicht mehr die Armee und Wirtschaft parallel entwickeln, sondern sich ganz auf die Wirtschaft konzentrieren. Kim will die Zusammenarbeit mit Südkorea wieder aufnehmen. In seiner Neujahrsansprache, deren größten Teil er der Wirtschaft widmete, erklärte er sich bereit, den gemeinsamen Industriepark der beiden Koreas in Kaesong "ohne jede Vorbedingung" wieder zu eröffnen.

Kims Reise nach Peking dürfte der Auftakt hektischer Gipfel-Diplomatie sein: Xi wird noch im Frühjahr in Pjöngjang erwartet. Kim soll bald auch Seoul besuchen, zudem ist ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geplant. Der wichtigste Termin dürfte aber der zweite Gipfel mit Trump werden. Zu Neujahr bekräftige Kim, Nordkorea werde sich strikt an die Vereinbarungen des ersten Treffens in Singapur halten, die eine "komplette Denuklearisierung" der koreanischen Halbinsel vorsieht - ohne jedoch zu definieren, was damit gemeint ist. Kim sprach auch von einem Dreier-Gipfel beider Koreas mit China und sogar von einem Vierergipfel auch noch mit den USA. Dieser solle den Korea-Krieg, der seit 55 Jahren nur von einem Waffenstillstand unterbrochen ist, formell beenden und zu einem Friedensvertrag führen. Südkoreas Geheimdienst informierte Parlamentarier in Seoul, Kim wolle mit Xi über einen solchen Vertrag reden.

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SZ vom 09.01.2019
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