Nordkorea:Schlepper zu Abschussrampen

Nordkorea: Alltag in Pjöngjang. Experten zufolge hält sich das Regime auch mithilfe von Schmuggel über die chinesische Grenze am Leben.

Alltag in Pjöngjang. Experten zufolge hält sich das Regime auch mithilfe von Schmuggel über die chinesische Grenze am Leben.

(Foto: Ed Jones/AFP)

Ein Experte bezweifelt, dass die Sanktionen gegen Pjöngjang ihren eigentlichen Zweck erfüllen: Das Regime kenne die wesentlichen Schlupflöcher.

Von Christoph Neidhardt, Tokio

Die Sanktionen gegen Nordkorea funktionieren nicht. Zu dieser Einschätzung kommt der japanische Ökonom Katsuhisa Furukawa, der bis zum vergangenen Jahr Mitglied der für die Überwachung dieser Sanktionen zuständigen UN-Expertengruppe war. Diese belasteten Nordkorea zwar, so Furukawa; in Pjöngjang führen weniger Autos als zuvor, und Geschäftsleute dort hätten Mühe, US-Dollar für Importe aus China aufzutreiben: "Aber das eigentliche Ziel, Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm einzufrieren und schließlich zu stoppen, wird nicht erreicht."

Nordkoreas mobile Abschussrampe für die Hwasong-14-Rakete etwa stammt aus China. Kürzlich entdeckte Furukawa auf einem Foto, auf dem Diktator Kim Jong-un ein Rüstungsinstitut inspiziert, einen sogenannten Kohlenstofffaser-Wickler. Mit den Maschinen kann das Regime Raketenhüllen aus Karbon herstellen. "Ich war schockiert", so der Experte: "Keine Ahnung, wo sie das herhaben. Als ich für die UN Sanktionsverletzungen untersuchte, gab es keinerlei Hinweise darauf." Pjöngjang verfügt auch über Klimakammern, die ihrem Aussehen nach aus Japan stammen dürften. Mit ihnen wird untersucht, wie Material sich im Weltraum verhält. "Sie stehen erst seit anderthalb Monaten auf der Sanktionsliste", sagt Furukawa. "Die UN haben Nordkorea den Export von Frauen-, Kinderkleidern und Fisch verboten. Aber diese wirklich heißen Sachen gelangen immer noch ins Land." Auch Gleichrichter aus der Schweiz, oder Sender aus Großbritannien, die online verkauft werden: "Nordkorea nutzt oft billige Kleingeräte, für die es auch zivile Anwendungen gibt."

Solche Technologie-Importe Nordkoreas müssten nach Ansicht des Experten gestoppt werden - "aber die Liste der verbotenen Sachen ist absurd detailliert. Am 5. September kamen Nickel-Legierungen dazu, die 10 000 Stunden lang Temperaturen bis 650 Grad Celsius aushalten können. Das sind 416 Tage. Soll der Zoll das Metall mehr als ein Jahr lang testen, um zu entscheiden, ob die Lieferung nach Nordkorea verboten ist? Das ist lächerlich."

Je detaillierter die Sanktionslisten, desto größer die Schlupflöcher

Pjöngjang habe viele Jahre Erfahrung im Umgehen von Sanktionen, so Furukawa, und mit diesen detaillierten Listen öffne man dem Regime Schlupflöcher. "Aber das beachtet ohnehin keiner. Wenn das US-Außenministerium dagegen sagt, unsere Sanktionen halbieren Nordkoreas Exporterlöse, dann macht das Schlagzeilen."

Furukawa glaubt zudem nicht, dass die chinesische Regierung das Umgehen von Sanktionen unterstütze. Im Gegenteil: "Ihre Haltung hat sich 2013 geändert." Peking habe immer wieder Unternehmen geschlossen, dies aber jeweils nicht öffentlich gemacht. "Und sie merken nicht, dass dieselbe Person an der gleichen Adresse eine neue Firma gründet." In einem andern Fall seien die Verantwortlichen von Taiwan nach Peking ausgewichen.

Zudem ließen sich manche Privatunternehmen - nicht nur in China, auch in Russland - leicht "täuschen"; so etwa in einem Fall, als Nordkoreas Forstministerium schwere Schlepper bestellte, die es dann zu Abschussrampen umrüstete.

Schmuggel lasse sich nie ganz verhindern, sagt Furukawa; an der Grenze Chinas zu Nordkorea schon gar nicht. "Dort leben Verwandte auf beiden Seiten, die wirtschaftlich integriert sind. Zudem ist die Mafia aktiv. Und die Nordkoreaner sind Profis im Vertuschen." Helfen würde etwa, wenn Schiffsbewegungen und Geldtransfers koordiniert beobachtet würden. "Doch selbst dann gäbe es Schlupflöcher, ganz stoppen kann man Nordkorea nicht."

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