Abgesagter US-Nordkorea-Gipfel:Die Entscheidung überrumpelt Südkorea

Donald Trump, Moon Jae-In Südkorea Nordkorea

Südkoreas Präsident Moon Jae-in ging nach dem Treffen mit Trump davon aus, dass das Treffen stattfindet.

(Foto: AP)
  • Südkoreas Präsident Moon ist überrascht von Trumps Absage des Gipfels mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un.
  • Er fordert beide Parteien auf, wieder direkt miteinander zu sprechen.
  • Der nordkoreanische Vize-Außenminister erklärt, den Dialog mit den USA fortsetzen zu wollen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Er sei "völlig perplex" über US-Präsident Donald Trumps Absage des geplanten Gipfels mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un, die er sehr bedauere, sagt Südkoreas Präsident Moon Jae-in am Morgen danach. Moon erfuhr von der Absage, nachdem er nur zwei Tage zuvor Trump im Weißen Haus besucht hatte, kurz vor Mitternacht Ortszeit aus den Medien. Nach dem Treffen in Washington zur Vorbereitung des Gipfels hatte sein Sicherheitsberater Chung Eui-yong noch gesagt, er sei zu "99,9 Prozent sicher", der Gipfel komme zustande.

Das Weiße Haus hat Seoul offenbar auch nicht, anders als es behauptet, vorab über die Absage informiert. Der überrumpelte Moon rief seinen Sicherheitsrat zu einer mitternächtlichen Notsitzung zusammen. Er forderte Trump und Kim auf, direkt miteinander zu sprechen. Mit der Art, wie sie derzeit kommunizierten, riskierten sie Missverständisse "Die Denuklearisierung und der Frieden auf der Koreanischen Halbinsel sind historische Aufgaben, die weder fallengelassen noch hinausgeschoben werden dürfen", so Südkoreas Präsident.

Nordkorea betont Willen zum Dialog

Nordkoreas Vize-Außenminister Kim Kye-gwan versicherte wenige Stunden später: "Wir möchten die amerikanische Seite wissen lassen, dass wir uns weiterhin mit den USA zusammensetzen und die Probleme lösen wollen, unabhängig von Ort, Art und Zeit." Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un habe alles in Bewegung gesetzt, um den Gipfel mit Trump vorzubereiten. "Nach dieser einseitigen Absage der USA müssen wir uns aber überlegen, ob es wirklich richtig war, auf diesen neuen Weg zu setzen." Anders als Trump, der Pjöngjang in seiner Absage erneut mit Amerikas Atomwaffen drohte, verzichtete Nordkoreas Vize-Außenminister in seiner Antwort auf aggressive Rhetorik.

Die "Wut und Feindschaft" Nordkoreas, mit der Trump die Absage gerechtfertigt hätte, seien nur "eine Reaktion auf die bösen Bemerkungen, welche die amerikanische Seite machte." Washington habe Nordkorea "seit Langem zur einseitigen Nuklearabrüstung schon vor dem Gipfel zu zwingen versucht", so Kim. Der hatte vor einigen Tagen den US-Sicherheitsberater John Bolton scharf angegriffen, nachdem dieser Nordkorea mit Libyen verglichen hatte. Der Vergleich trifft in Pjöngang einen Nerv, weil Muammar al-Gaddafi einige Jahre, nachdem er sein noch rudimentäres Atomprogramm aufgegeben hatte, mit Unterstützung der USA von Aufständischen gestürzt und getötet wurde.

In Seoul wird auch gerätselt, wie definitiv Trumps Absage ist. Außenministerin Kang Kyung-hwa sagte nach einem Telefongespräch mit US-Außenminister Mike Pompeo, der amerikanische Präsident habe die Tür offen gelassen, die USA suchten weiterhin den Dialog.

Gleichsam zur Schadensbegrenzung versicherte Vereinigungsminister Cho Myung-gyun dem Norden, Seoul werde die Erklärung von Panmunjom weiter getreu umsetzen. Seoul erwarte das auch vom Norden.

Experten in Seoul diskutieren die Frage, ob der verschärfte Ton gegen die USA vorige Woche, vor allem gegen John Bolton und Vizepräsident Mike Pence wegen ihrer Libyen-Vergleiche, mit Pjöngjangs Wiederannäherung an China zu erklären sei. Peking will, dass Nordkorea auf seine Atomwaffen verzichtet, aber es hat kein Interesse an zu engen Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA. Oder an einer Wiedervereinigung Koreas, solange im Süden US-Militär stationiert ist. Für Pjöngjang hat ein Ausgleich mit den USA an Dringlichkeit verloren, seit Kim zweimal in China war. Damit sind die verschärften Sanktionen de facto vom Tisch, von denen Trump am Donnerstag behauptete, sie würden weiter durchgesetzt. Peking dürfte sie, möglicherweise inoffiziell, bereits lockern.

Derzeit weilt eine Wirtschaftsdelegation aus Nordkorea in der nordchinesischen Industriestadt Dalian, die Reformen studieren soll. Chinas Nordostprovinzen leiden ebenfalls unter den Sanktionen, für sie ist Nordkorea ein Wirtschaftspartner. Und angesichts des Handelskriegs, den Trump gegen China angezettelt hat, sieht man in Peking noch weniger Grund, die Nordkorea-Politik der Amerikaner zu unterstützen. Zumal es die Befürchtung gibt, China könnte an Einfluss auf Kim einbüßen.

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