Nordkorea-Konflikt:Spiel mit dem Feuer

Park holds security ministers' meeting

Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye

(Foto: dpa)

Die Macht in der Hand der Familie: Viele Länder Nordostasiens werden von Potentaten der zweiten und dritten Generation regiert. Keiner der Väter und Großväter war Demokrat. Nicht der Vater von Kim Jong Un und auch nicht der von Park Geun Hye. Von der Präsidentin Südkoreas hängt nun einiges ab.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Park Geun Hye hatte sich ihre ersten Monate im "Blauen Haus", dem Amtssitz der südkoreanischen Präsidentin, ganz anders vorgestellt. Zwar lässt sich die stets reservierte 61-Jährige nichts anmerken, sie tritt stets sanft und mit einem etwas starren Lächeln auf. Aber sie weiß, sie hat einen Fehlstart hingelegt. Und das nicht nur wegen Nordkoreas Drohungen. Im Wahlkampf hatte sie den Südkoreanern einen sauberen Neuanfang versprochen.

Mit Pjöngjang wollte sie den Dialog suchen, nachdem ihr Vorgänger Lee Myung Bak alle Brücken der Entspannungspolitik abgebrochen hatte. Die Innenpolitik wollte sie mit einer Neuorganisation der Regierung wiederbeleben. Doch tatsächlich startete sie ihre Amtszeit ohne Regierung, denn die Bestätigung ihres Kabinetts zog sich über Wochen hin. Mehrere ihrer Ministerkandidaten mussten sich zurückziehen, sie hatten unsaubere Finanzgeschäfte getätigt und dies dem Übergangs-Komitee verschwiegen. Und in Sachfragen, so im Streit um die Verwendung eines Nachtrags-Haushalts, stellt sich sogar ihre eigene Partei gegen sie.

Derweil überzieht die nordkoreanische Propaganda Südkorea und die USA mit wüsten Verbalattacken und verunglimpft Park auch persönlich, beispielsweise als "Sausen eines Rocks im Blauen Haus". Nordkorea feuert jedes Frühjahr, wenn die USA und Südkorea ihre alljährlichen Manöver abhalten, Drohsalven gegen Seoul und Washington ab. Zudem hat es auch alle früheren südkoreanischen Präsidenten in ihren ersten Monaten mit Provokationen getestet. Angriffen, wie Park Geun Hye sie derzeit über sich ergehen lassen muss, war freilich seit Jahrzehnten keiner ihrer Vorgänger ausgesetzt.

Park hat das Säbelrasseln lange ignoriert

Bisher hat die erste Frau an der Spitze Südkoreas in dieser Krise nach außen hin stoische Ruhe bewahrt. Südkorea spielt in diesem jüngsten Aufbrodeln des Kalten Kriegs ohnehin nur eine Nebenrolle. Das Land gehört nicht zu den Unterzeichnerstaaten des Waffenstillstandes von 1953, es ist auch nicht der Ursprung der Angst des Regimes im Norden, mit Gewalt von außen gestürzt zu werden. Wie die südkoreanische Bevölkerung, so hat deshalb auch Park das Säbelrasseln Pjöngjangs lange Zeit ignoriert, zumindest in ihren öffentlichen Auftritten. Man hat sich in Seoul an das Gekeife aus dem Norden gewöhnt - fast zu sehr, sagen manche Warner.

Park setzt auf Zustimmung der Amerikaner

Die Präsidentin ignoriert auch Rufe aus ihrer Saenuri-Partei, Südkorea müsse selbst nuklear aufrüsten oder zumindest die Stationierung amerikanischer Atomwaffen erwirken. Etwas anderes würde Washington gar nichts zulassen, denn Pjöngjang würde ein atombewaffnetes Südkorea zur Rechtfertigung seines eigenen Nuklearprogramms nutzen. Südkorea stehen nun schwierige Gespräche mit Washington über die friedliche Nutzung der Kernenergie bevor. Seoul hat erste Kernkraftwerke exportiert und möchte künftig abgebrannte Brennstäbe wiederaufbereiten. Dazu braucht es die Zustimmung der Amerikaner. Die will Park nicht gefährden. Sie hofft, diese bei ihrem für Mai geplanten Besuch in Washington zu erhalten.

Ihr Vater, der vormalige Präsident Park Chung Hee, putschte sich 1961 als Offizier an die Macht und regierte Südkorea bis zu seiner Ermordung 1979. Er wird in Südkorea von den einen als Vater des Wirtschaftsaufschwungs verehrt, von den anderen als übler Diktator gehasst. Die Tochter brachte deshalb als Präsidentin eine gewisse Erfahrung und viel Vorschusslorbeeren ins Amt mit, aber auch einige Hypotheken. Einerseits hat ihr Vater hinter dem Rücken der amerikanischen Schutzmacht an einem Atomprogramm basteln lassen, andererseits hat er 1972 trotz mehrerer Übergriffe Nordkoreas und Anschlägen auf ihn persönlich die erste innerkoreanische Vereinbarung erreicht. Seoul und Pjöngjang versicherten darin einander, dereinst eine friedliche Wiedervereinigung ohne Einfluss von Drittmächten anzustreben.

Heftiger Rückschlag im Fall einer Provokation

Im Jahre 2002, in der Zeit der sogenannten Sonnenschein-Politik, besuchte Park Geun Hye als Abgeordnete und Gesandte des damaligen Staatspräsidenten Kim Dae Jung die nordkoreanische Hauptstadt. Sie verhandelte dort mit dem "Geliebten Führer" Kim Jong Il über Schritte zur Versöhnung. Nun allerdings darf sie sich nicht zu nachgiebig zeigen. In den vergangenen Tagen hat die Präsidentin das Kommando ihrer Armee deshalb mehrfach aufgefordert, im Falle einer Provokation Nordkoreas wuchtig zurückzuschlagen.

Um eine Eskalation der Gewalt zu vermeiden, hatte Südkoreas Politik das bisher stets vermieden. Ohne expliziten Befehl des Staatspräsidenten hätte die Armee bisher nicht schießen dürfen. Wenn Park die Entscheidung nun in die Hände ihrer Generäle legt, muss Pjöngjang dies als deutliche Gegendrohung verstehen. Allerdings bleibt offen, ob die Generäle tatsächlich freie Hand haben. Viele Südkoreaner zweifeln an der Kompetenz ihrer Armee: Beim Untergang der Cheonan, eines Patrouillenbootes, von dem Südkorea sagt, es sei von einem nordkoreanischen Torpedo versenkt worden, waren die diensthabenden Kommandeure nicht einmal auf ihren Posten.

Südkorea als Achse, um die sich die Konflikte drehen

Viele Länder Nordostasiens werden derzeit von Politikern der zweiten und dritten Generation regiert, dabei war keiner der Väter und Großväter Demokrat. Parks Vater Chung Hee gelangte als Chef einer Junta an die Macht, Kim Jong Uns Großvater Kim Il Sung als kleiner Offizier der antijapanischen Guerilla, vor allem aber mit der Hilfe Stalins. Nobosuke Kishi, der Großvater des japanischen Premier Shinzo Abe, diente sich in der von der japanischen Armee besetzten Mandschurei hoch. Der Vater von Chinas Präsidenten Xi Jinping saß in der Führung der chinesischen KP.

Ob es diesen Kindern und Enkeln gelingt, die Konflikte der Region zu lösen oder zu mildern, in die sich bereits ihre Väter und Großväter verheddert hatten, hängt zuvorderst vom politischen Geschick von Park Geun Hye ab. Südkorea ist gleichsam die Achse, um die sich die Konflikte Nordostasiens drehen. Vermutlich wird sie mehr Geduld und weniger Scheu vor Kompromissen haben als Kim Jong Un und auch Japans Abe. Und wer könnte dem jungen Haudegen in Pjöngjang besser entgegengehen als Park Geun Hye, die sich als Landesmutter aller Koreaner sieht und schon mit Kims Vater verhandelt hat?

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