Nordkorea:Kim demontiert den Onkel

Lesezeit: 2 min

Noch nie wurde ein so hoher Funktionär öffentlich derart vorgeführt: Nordkoreas Diktator Kim zeigt der Elite mit der Verhaftung seines Onkels Jang die eiserne Faust. Jang hat dem unberechenbaren Jüngling bisher auf die Finger geschaut. Doch der meint, er brauche den Rat seines Mentors nicht mehr.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Es war wie aus dem Lehrbuch für Stalinisten: Jang Song Taek, bisher der zweitmächtigste Mann in Nordkorea, wurde am Sonntag während einer Sitzung des Politbüros von zwei Soldaten abgeführt. Das nordkoreanische Fernsehen zeigte die Verhaftung am Montag. Eine derartige öffentliche Demontage eines so hohen Funktionärs hat es in Nordkorea noch nie gegeben. Damit ist der Sturz des 67-Jährigen besiegelt, über den Südkoreas Geheimdienst bereits vorige Woche berichtet hatte.

Jang wurde nicht zum ersten Mal abserviert. Zweimal hat er diese Erfahrung bereits gemacht, zweimal gelang ihm ein Comeback. Doch eine dritte Rückkehr ist undenkbar, solange der derzeit amtierende Diktator aus der Kim-Dynastie, Jangs Neffe Kim Jong Un, an der Macht ist, der ihn nun gestürzt hat.

Jang gehört seit mehr als vier Jahrzehnten zur Diktatorenfamilie. Er ist mit Kyong Hui verheiratet, Schwester von Kim Jong Il und Tochter von Kim Il Sung, den beiden Vorgängern Kim Jong Uns im Diktatorenamt. Kyong Hui hatte sich schon als Studentin in den großen, charismatischen Jang verliebt, der überdies ein guter Tänzer war. Doch Vater Kim war mit der Verbindung nicht einverstanden. Er ließ Jang von der Uni werfen. Auf Umwegen fand Jang den Weg zurück - in Nordkorea eigentlich unmöglich. Zusammen mit Kyong Hui absolvierte er die Kaderschmiede der Partei, dann studierten beide in Moskau weiter.

Nach ihrer Rückkehr nach Pjöngjang begann der Aufstieg des Paares im Machtapparat. Jang war Direktor des Zentralkomitees, Chef der Sicherheitspolitik und zuletzt Vizevorsitzender der mächtigen Nationalen Verteidigungskommission. Er galt als Chinas Mann in Pjöngjang und half dabei, zwei Gipfeltreffen mit Südkorea zu organisieren. Vor knapp zehn Jahren warf ihn dann sein Schwager Kim Jong Il aus allen Ämtern. Er habe sich gegen Reformen gestellt, so der Vorwurf damals. Zwei Jahre später war er wieder da - als Reformer.

Abserviert: Jang Song Taek, der in Ungnade gefallene Onkel des jungen Diktators Kim Jong Un (Foto: REUTERS)

Die schweren Vorwürfe deuten auf harte Strafe hin

Jetzt wird Jang vorgeworfen, er habe seine Macht missbraucht und die Partei spalten wollen. Außerdem sei er korrupt und habe Drogen konsumiert, Geld verspielt und mehrere Geliebte gehabt. All das lässt sich nicht verifizieren. Hingegen ist bekannt, dass Jang und Kyong Hui neben ihren zwei eigenen Kindern ein drittes adoptiert haben, das Kim Jong Il einst mit einer Geliebten gezeugt hat.

Die schweren Vorwürfe - insbesondere die Anschuldigung, er habe die Einheit der Partei unterlaufen - deuten auf eine harte Strafe hin. Der junge Diktator Kim Jong Un zeigt mit der öffentlichen Verhaftung seines Onkels der Elite in Pjöngjang seine eiserne Faust. Jang war eine Art Aufpasser hinter Kim. Er schaute dem unberechenbaren Jüngling auf die Finger. Doch inzwischen meint dieser, er brauche den Rat seines Mentors nicht mehr. Seine lächerlichen Auftritte in der Öffentlichkeit und das Kriegsgeheul im Frühjahr zeigen, dass er schon länger nicht mehr auf den rationalen Jang hörte.

© SZ vom 10.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: