Nordkorea:Isolieren geht nicht mehr

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Die USA hatten eine gute Ausgangsposition gegenüber Nordkorea. Doch nun nähert das Land sich China an - weil der US-Präsident meint, auf Multilateralismus verzichten zu können.

Kommentar von Stefan Kornelius

Multilateralismus ist ein kompliziertes Wort. Wer es gerne einfacher hätte, der muss über Kim und Xi reden, den nordkoreanischen Diktator und den chinesischen Präsidenten. Beide zeigen gerade, was es bedeutet, wenn der Multilateralismus flöten geht und stattdessen das Gesetz der Straße gilt: jeder gegen jeden, keine Regeln.

Adressat dieser Botschaft ist, natürlich, Donald Trump. Der hält sich bekanntlich für den größten Verhandler auf Erden, der noch jeden Deal bekommen habe, den er wollte. Was in der Mauschelei mit der Bauarbeitergewerkschaft gelten mag, funktioniert aber noch lange nicht im Abrüstungskonflikt mit Nordkorea. Tatsächlich gibt es kaum ein besseres Studienobjekt als den Nordkorea-Konflikt, um den Amateur Trump bei der Verrichtung seiner außenpolitischen Torheiten zu beobachten.

Zunächst brachte Trump Bewegung in den Konflikt

Dabei hatte Trump zu Beginn seiner Amtszeit ungewollt zielgenau die Strategie seiner Vorgänger fortgesetzt, indem er die wichtigsten Stränge der Nordkorea-Politik zusammenführte: maximaler Druck, bestmögliche Allianz und ein klares Angebot. Nur weil die Regierung Trump durch eine an den Wahnsinn grenzende Drohrhetorik zum ersten Mal ein Sanktionsregime über die Vereinten Nationen aufbaute, nur weil diese Sanktionen auch umgesetzt und bis hin zum chinesisch-nordkoreanischen Grenzhandel überwacht und durchgesetzt wurden, und nur weil die Geschlossenheit der Welt von Peking bis Washington Nordkorea den Ernst der Lage klarmachte - nur deshalb bewegte sich dieser seit Jahrzehnten erstarrte Konflikt.

Und dann kamen der 12. Juni und der abrupte Tonwechsel Trumps. Kaum war Kim Jong-un vom größtmöglichen Schurken zum "ehrenwerten Staatsmann" mutiert, passte nichts mehr in der amerikanischen Strategie. Trump hatte für ein Gipfelfeuerwerk alles Kapital verpulvert, das die USA in Jahrzehnten angehäuft hatten. Seitdem ist Washington in einem grotesken Widerspruch gefangen: Die Gipfeleuphorie und die süßen Worte passen nicht mehr zur Maximalforderung, wonach Nordkorea zunächst sein komplettes Nuklearprogramm abbauen müsse, ehe das Sanktionsregime gelockert würde. Alles oder nichts - das ist zu simpel für diesen Fall.

Einen Weg zurück in die Isolation gibt es nicht mehr

Kim hat indes seinen neuen Status als Freund Trumps und Verfasser schmeichelnder Briefe gut genutzt: Dreimal haben sich die Staatsführer der beiden Koreas getroffen, viermal in nur einem Jahr war Kim in China bei Präsident Xi Jinping. Ein Weg zurück in die größtmögliche Isolation gibt es nicht mehr, Berichte über die Umgehung der Handelssperren häufen sich. Solange aber Kim keine neuen Raketen startet oder Bomben zündet, wird es keinen neuen Sanktionsdruck geben.

Mehr noch: Mit dem Besuch in Peking zeigt Kim, dass er einen neuen Freund gefunden hat, dem er sich im Zweifel anvertraut. Und Chinas Führung wird nur ein paar Tagungsräume weiter der US-Handelsdelegation im Zollstreit mitteilen können, dass in der Welt der internationalen Politik alles mit allem zusammenhängt und Härte gegenüber Nordkorea ihren Preis hat. Der könnte ungefähr das Sanktionsvolumen umfassen, das Trump über China verhängt hat.

Multilateralismus ist die Kunst, Akteure mit unterschiedlichen Interessen dazu zu bringen, das Gleiche zu tun. Trumpismus ist die Kunst, einen außenpolitischen Vorteil in einen schweren Nachteil zu verwandeln.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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