Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Interkontinental nach Hamburg

Kim Jong-uns Raketentest beschert den G 20 ein neues Thema. Er soll das Treffen der Präsidenten Chinas und der USA bestimmen, auch Südkorea will auf dem Gipfel Strategien ausloten.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea hat sich mit dem Raketentest am Dienstag auf die Tagesordnung des G-20-Gipfels in Hamburg geschossen. Das Thema wird die Begegnung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping beherrschen, wie beide Seiten in ersten Reaktionen auf den Test deutlich machten. Außerdem wollte der UN-Sicherheitsrat Pjöngjangs Verstöße gegen die UN-Resolutionen am Mittwochabend in einer Dringlichkeitssitzung behandeln. Die Resolution verbietet Nordkorea ballistische Tests. Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA teilte triumphierend mit, Kim Jong-un habe die Rakete als "Geschenk für die amerikanischen Bastarde zu ihrem Unabhängigkeitstag" gesandt.

Der Kommandant der US-Truppen in Südkorea, General Vincent Brooks, sagte, Zurückhaltung sei das Einzige, was die Amerikaner daran hindere, gegen Nordkorea Krieg zu führen. US-Außenminister Rex Tillerson kategorisierte den Hwasong-14 genannten Flugkörper als Interkontinentalrakete (ICBM), Südkoreas Verteidigungsminister Han Min-koo meinte, sie könnte Hawaii erreichen. Nach Einschätzung einer Reihe von Fachleuten hätte Nordkorea damit eine neue Stufe in der Raketenentwicklung erreicht. Hingegen sagte der renommierte Experte Robert Schmucker, Professor für Raketentechnik an der TU München, auch nach der Analyse neuer Fotos könne es sich bei dieser Rakete höchstens um eine Mittelstreckenrakete handeln. Ihre Reichweite schätzt er auf etwa 4000 Kilometer.

Waffenexperten in den USA diskutieren derzeit die Option eines "chirurgischen Schlags"

Die in Japan erscheinende Tageszeitung Chosun Sinbo, ein Sprachrohr des Kim-Regimes, schrieb am Mittwoch, der Konflikt könne nur mit Verhandlungen gelöst werden. Nordkorea werde nie einen Verzicht auf seine Atomwaffen und ballistischen Raketen anbieten. Dann folgte der Zusatz: "Solange die feindliche Politik der USA und die atomare Bedrohung nicht völlig verschwinden."

In dieser Formulierung steckt ein Hinweis auf eine Erklärung Chinas und Russlands, die nach dem Raketenstart gemeinsam ihren Vorschlag erneuerten, wonach Pjöngjang sein Atom- und Raketentest einstellen müsse und die USA und Südkorea dafür ihre jährlichen Großmanöver aufgeben sollten. Beides scheint derzeit unrealistisch zu sein.

Waffenexperten in den USA diskutierten unterdessen die Option für einen sogenannten "chirurgischen Schlag", also einen präzisen Raketenangriff gegen das Atom- und Raketenprogramm des Nordens. Der scheint allerdings schon deshalb unmöglich, weil man nicht weiß, wo genau die Waffen gelagert sind. Außerdem könnte Seoul, die nur 40 Kilometer südlich der Grenze gelegene Hauptstadt Südkoreas, mit nordkoreanischer Artillerie zerstört werden. Südkoreas neuer Präsident Moon Jae-in, der am Mittwoch wegen des G-20-Gipfels in Deutschland eintraf, bat seine Landsleute um Unterstützung für eine Politik des Dialogs. Er will auch bei der G 20 dafür werben. Mit Trump hat er sich bereits auf eine zweigleisige Nordkorea-Politik der Sanktionen, verbunden mit Dialog, verständigt.

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SZ vom 06.07.2017
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