Nordkorea:Gruß an Joe Biden

8th Congress of the Workers' Party in Pyongyang

Militärparade anlässlich des Parteitags in Pjöngjang.

(Foto: KCNA/via REUTERS)

Die Militärparade in Pjöngjang vom Donnerstag sollte die Welt auf keinen Fall übersehen. Vor allem den USA gegenüber will das Regime Stärke zeigen. Vom neuen Präsidenten in Washington ist allerdings nicht zu erwarten, dass er die leere Spektakel-Diplomatie eines Donald Trump fortführt .

Von Thomas Hahn, Tokio

In Tokios U-Bahn sind die Grüße aus Nordkorea nicht zu übersehen. Auf den Info-Schirmen erscheint immer wieder die Nachricht von der jüngsten Militärparade des Regimes auf dem Kim-Il-sung-Platz in Pjöngjang. Dazu das Bild von vier Lastwagen, die große Raketen geladen haben. Es sind wohl jene U-Boot-gestützten Atomraketen, welche die nordkoreanische Staatszeitung Voice of Korea in ihrem Paradebericht als "stärkste Waffe der Welt" und als Symbol für "die Macht der starken revolutionären Armee" beschreibt. Auf die japanischen Menschen im Zug muss das Bild wirken wie eine Erinnerung daran, dass ihr Inselstaat gefährliche Nachbarn hat.

Die Botschaft aus Nordkorea ist also angekommen. Die Propaganda-Schaffenden der Parteidiktatur mit Machthaber Kim Jong-un können sich auf die Neugier im Ausland verlassen. Internationale Beobachter greifen nach jeder Neuigkeit, die irgendetwas erzählt über die verschlossene Atommacht. Nordkoreas Staatsmedien können so kontrollieren, was die Welt wann mitbekommt von ihrem Land. Und die Militärparade vom Donnerstag sollte die Welt auf keinen Fall übersehen. Die Berichterstattung war üppiger als die relativ diskrete von der Parade im Oktober, als Nordkoreas Militär eine riesige Interkontinental-Rakete vorstellte. Das Portal NK News berichtete, Staatsmedien hätten 100 Fotos vom Aufmarsch veröffentlicht.

Dass das Bild vom starken Nordkorea dann auch in japanischen U-Bahn-Waggons flimmerte, dürfte dem Regime gefallen haben. Trotzdem gab es wenige Tage nach dem Kongress der regierenden Einheitspartei PdAK wichtigere Adressaten: Das eigene Volk sollte sehen, wie kraftvoll die heimische Armee ist. Vor allem aber dürfte die Parade ein Gruß an Joe Biden gewesen sein, bevor dieser am 20. Januar als US-Präsident vereidigt wird. Sozusagen als anschauliche Zugabe zur Raketenshow vom Oktober. Park Won-gon, Professor für internationale Politik an der südkoreanischen Handong Global University, sagt in der Korea Times: "Mit dem Ereignis zeigt Nordkorea seine Fähigkeit, auf Angriffe der USA zu reagieren."

Kim Jong-un hat die USA beim PdAK-Kongress als "ersten Hauptfeind" bezeichnet und trotzdem angedeutet, dass er zum Dialog bereit sei. Nun läuft unter Fachleuten die Debatte darüber, was Biden als US-Präsident daraus ableitet. Denn klar ist: Die Amerikaner brauchen eine neue Nordkorea-Politik nach den wilden Zeiten mit dem Show-Außenpolitiker Donald Trump und den wohl etwas zu stillen Zeiten davor unter Barack Obama.

Anhänger der südkoreanischen Regierung befürchten, dass die US-Diplomatie nach Trump in den Obama-Modus zurückfällt. Also: strategische Geduld. Keine Gespräche, solange Nordkorea atomar aufrüstet. Als Obamas Vize-Präsident war Biden ein Vertreter dieser Politik. Gebracht habe sie nichts, sagen die Kritiker. Keine Fortschritte im Bemühen um ein atomwaffenfreies Nordkorea.

Allerdings haben auch die Annäherungsversuche der vergangenen vier Jahre nicht viel gebracht. Südkoreas liberaler Präsident Moon Jae-in hatte sie angeschoben, weil Versöhnung mit dem Norden das große Ziel seiner Amtszeit ist. Donald Trump stieg auf den Kurs ein - wohl vor allem aus Lust am Spektakel. Drei Mal trafen sich Kim und Trump zwischen Juni 2018 und Juni 2019. Das zweite Treffen in Hanoi im Februar 2019 endete abrupt: Der Handel UN-Sanktionen gegen Atomwaffen funktionierte nicht. Und 2020 zerbrach auch das zwischenkoreanische Verhältnis. Moons Regierung tue zu wenig gegen Nordkorea-Kritiker, fand Pjöngjang und sprengte das gemeinsame Verbindungsbüro in Kaesong. Fortschritte im Bemühen um ein atomwaffenfreies Nordkorea? Keine.

Und nun? Im Wahlkampf hat Joe Biden den Nordkoreaner Kim Jong-un einen "Schurken" genannt und Trump vorgeworfen, dass er sich ohne Vorbedingungen auf den Diktator einließ. Er selbst wird nicht für leere Spektakel-Diplomatie zu haben sein. Er dürfte auch kritisch sehen, wie kompromissbereit Moon bei seinen Verhandlungen mit dem menschenrechtsfeindlichen Kim war.

Aber wieder nur darauf zu warten, dass Kim Jong-un die Atomwaffen streckt, wird auch nicht vielversprechend sein. Dialog auf unterer diplomatischer Ebene, realistischere Zwischenziele auf dem Weg zu einem Friedensvertrag in ferner Zukunft - das erwarten sich viele Experten von Biden. "Die Denuklearisierung ist seit mindestens 2006 unerreichbar", sagt zum Beispiel der frühere Pentagon-Beamte Van Jackson, "deshalb ist ein Prozess zur Rüstungskontrolle der einzige stabile Weg nach vorne". Ein Vertrag, der Nordkoreas atomare Aufrüstung stoppt, wäre ein Etappenerfolg.

Ob Joe Biden die Empfehlung aufnimmt? Er wird den Eindruck vermeiden wollen, als akzeptiere er den Atomstatus der nordkoreanischen Diktatur. Und seine Wahl für den neu geschaffenen Posten des Indo-Pazifik-Koordinators erinnerte viele in Südkorea wieder an den Obama-Kurs: der 63-jährige Kurt Campbell war damals stellvertretender Staatssekretär für Ostasien. Andererseits: Gerade der erfahrene Campbell könnte wissen, was man in den nächsten vier Jahren besser machen muss.

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