Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Gewichtige Hinweise

Für Geheimdienste spannend: Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hat abgenommen.

Von Thomas Hahn

Die jüngste Politikberichterstattung der Staatsmedien in Nordkorea war so schwammig wie immer. Machthaber Kim Jong-un versammelte demnach zwei Mal die Spitzen seiner Einheitspartei um sich, analysierte die Lage und erzählte von irgendwelchen Ideen. Allerdings gab es auch Bilder von den Sitzungen mit Kim. Und seit Geheimdienste und Fachleute diese gesehen haben, beschäftigt sie die Frage: Hat Kim Jong-un abgenommen?

Es müsste Wichtigeres geben, gerade in diesen Zeiten. Nordkorea geht es nicht gut. Aus Angst vor dem Coronavirus hat sich der kommunistische Staat endgültig abgeschottet. Gerade darf nur China bei der Versorgung der 25 Millionen Menschen im Land helfen, sonst niemand. Die unabhängige Genfer Analyse-Organisation ACAPS schrieb jüngst zu Nordkorea: "Chronische Lebensmittelunsicherheit und begrenzter Zugang zu grundlegenden Dingen wie Gesundheitsversorgung und sauberem Wasser haben dazu geführt, dass mehr als zehn Millionen Menschen humanitäre Hilfe brauchen." Dass Kim abgespeckt hat, wirkt wie ein Thema für den Klatsch.

Aber es ist eben einer der seltenen konkreten Eindrücke, die man dieser Tage aus dem Land bekommt. Gerade über Nordkoreas Führungszirkel weiß die Welt wenig. Alle, die sich dafür interessieren, sind weit weg und greifen nach jedem Anhaltspunkt, der Rückschlüsse auf die politische Lage zulässt. Die Figur des Ober-Nordkoreaners ist so ein Anhaltspunkt.

Als Kim Jong-un am vergangenen Samstag die Politbüro-Sitzung leitete, war das sein erster öffentlicher Auftritt seit einem Monat. Solche Pausen fallen bei Kim auf. Im Frühjahr 2020 gab es sogar Spekulationen, er sei tot, weil er sich so rarmachte. Sein Lebenswandel gilt als ungesund. Kim Jong-un soll 2020 nach Geheimdienstinformationen 140 Kilo gewogen haben und seit seiner Machtübernahme 2011 jedes Jahr sechs bis sieben Kilo zugenommen haben. Kim ist außerdem Kettenraucher. Schon Großvater Kim Il-sung und Vater Kim Jong-il sollen an Herzinfarkten gestorben sein.

Ein dünnerer Kim Jong-un könnte bedeuten, dass der Staatschef neuerdings gesünder lebt und die Welt sich auf eine anhaltende Kim-Herrschaft gefasst machen kann. "Wenn es ihm gelingt, Gewicht zu verlieren, wird das wahrscheinlich deutlich die Chancen verbessern, dass Nordkorea bis auf Weiteres stabil bleibt", sagt Nordkorea-Experte Andrei Lankov. Vielleicht ist Kim aber auch krank, und in der Arbeiterpartei plant man schon die Nachfolge. "Wir wissen es nicht", sagt der amerikanische Geheimdienstbeamte Mike Brodka im unabhängigen Nordkorea-Portal NK News, "aber es wirft genügend ernsthafte Fragen auf, mit denen wir uns befassen müssen."

Wenn man Kim-Jong-un-Bilder von früher und heute betrachtet, erscheint Kim tatsächlich etwas schlanker. NK-News hat eine forensische Analyse der Staatsmedien-Bilder vorgenommen und dabei vor allem Kim Jong-uns linkes Handgelenk 2020 und jetzt verglichen. Ergebnis: Das Armband seiner teuren Schweizer Lieblingsuhr kann er jetzt etwas enger schnallen. Allerdings sieht man auch: Vom Fleisch gefallen ist Kim Jong-un noch nicht. Während viele Menschen in seinem Land hungern, scheint es ihm noch ganz gut zu gehen.

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