Nordkorea:Drohende Hungersnot 

Kurz vor dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Trump und Nordkoreas Chef Kim wird ein Brief publik: Darin warnt die Führung in Pjöngjang vor einer Hungersnot.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea drohe eine Hungersnot. In einem undatierten Brief an die Vereinten Nationen (UN) warnt das Regime von Kim Jong-un, dem Land fehlten 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittel. Hitze, Dürre und Überflutungen verursachten vorigen Sommer eine schlechte Ernte. Zugleich sind offizielle und informelle Importe über die chinesische Grenze wegen der Wirtschaftssanktionen eingebrochen. Auch die Hungerhilfe wird davon behindert. Meldungen, Nordkoreas Lebensmittelversorgung verschlechtere sich, sind nicht neu. Radio Free Asia meldete kürzlich, Soldaten überfielen Dörfer, weil sie hungerten. Der offizielle Brief an die UN jedoch, über den die Agentur Reuters am Freitag berichtete, war bisher nicht bekannt. Unklar ist, ob er gezielt vor dem zweiten Gipfel von Machthaber Kim Jong-un mit US-Präsident Donald Trump in Hanoi veröffentlicht wurde.

Kim fordert von Trump eine Lockerung der Sanktionen. Die Meldung, Nordkoreas Bevölkerung leide unter diesen, könnte dem Nachdruck verleihen. Bisher verlangten die USA, Pjöngjang müsse komplett atomar abrüsten, vorher würden die Sanktionen nicht aufgehoben. Der US-Sonderbeauftragte Stephen Biegun ist jedoch davon bereits abgerückt. Trump sagte diese Woche sogar, mit der Denuklearisierung habe er es "nicht eilig". Das Ziel sei die "endgültige und unumkehrbare" atomare Abrüstung. Aber Priorität habe das Einfrieren aller Atom- und Raketen-Aktivitäten. Er wolle mit Kim tiefergehend über die Zukunft Nordkoreas reden. Damit ist er der erste amerikanische Präsident seit dem Kalten Krieges, der Nordkorea nicht auf ein Atomproblem reduziert.

Trump und Kim könnten sich auf einen "Friedensschluss light" einigen

Pjöngjang sagt, Denuklearisierung ohne Normalisierung der Beziehung sei nicht möglich. Der US-Atomphysiker Siegfried Hecker, ein Kenner des nordkoreanischen Atomprogramms, zeigt dafür Verständnis. Die Bedrohung durch Pjöngjang habe seit dem Singapur-Gipfel klar abgenommen. "Im Gegensatz zu dem, was die Medien schreiben", so Hecker, "hat Nordkorea Nuklear-Aktivitäten gestoppt und andere zurückgefahren."

In Vietnam liefen die Vorbereitungen für den Gipfel auf Hochtouren. Wie US-Außenminister Mike Pompeo bereits andeutete, könnten Kim und Trump sich auf eine Kriegsende-Erklärung verständigen. Das wäre ein "Friedensschluss light", den Trump sich nicht vom US-Kongress bestätigen lassen müsste. Auch könnten sich beide darauf einigen, ohne China zu beteiligen, ein Signarstaat des Waffenstillstands von 1953. In Seoul wird auch spekuliert, der gemeinsame Industriepark beider Koreas in Kaesong könnte wieder in Betrieb genommen werden. Wirtschaftlich hätte das keine große Bedeutung, symbolisch dagegen schon - auch für Südkorea. Mit Kaesong nahm der Norden jährlich 200 Millionen Dollar ein, mit den von den Sanktionen gestoppten Kohle-Exporten nach China dagegen 1,2 Milliarden.

Während Trump sich kompromissbereit gibt, besteht Japan auf der harten Linie. Außenminister Taro Kono wandte sich gegen jede wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Süd- und Nordkorea, solange die Sanktionen bestünden.

Spekuliert wurde am Freitag, wie Kim nach Hanoi reisen wird - mit seinem Spezialzug, mit dem die Fahrt 60 Stunden dauern würde, oder mit dem Flugzeug. Möglich sei auch, dass Kim bis Peking fahre, dort Chinas Präsidenten Xi Jingping treffe und dann nach Hanoi fliege, so die Spekulationen in südkoreanischen Medien.

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