Nordafrika:Labiles Libyen macht Sorgen

Merkel erhofft sich einen Flüchtlingspakt mit Tripolis, ähnlich dem mit der Türkei. Doch die Einheitsregierung ist dafür zu instabil.

Von Paul-Anton Krüger und Stefan Braun, Kairo/Berlin

Die Hoffnung der Bundesregierung, als Antwort auf die großen Flüchtlingsströme bald mit Libyen ein ähnliches Abkommen zu schließen wie mit der Türkei, dürften fürs Erste enttäuscht werden. Der UN-Sondervermittler für Libyen, der deutsche Diplomat Martin Kobler, sagte am Montag in Berlin, er rechne nicht damit, dass es in diesem Sommer schon verlässliche und stabile Strukturen in Libyen geben werde, die einen gemeinsamen Kampf ermöglichten. "Man muss realistisch sein - für diese Saison wird das nicht gelingen", sagte Kobler. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatten zuletzt ankündigt, alsbald Gespräche mit Libyen zu beginnen, um dem zu erwartenden Anstieg der Flüchtlingszahlen über Libyen, das Mittelmeer und Italien entgegenzuwirken.

Nicht zuletzt wegen seines Interesses an stabilen Strukturen in Libyen will Deutschland die neue Regierung der Nationalen Einheit mit einem Fonds unterstützen, aus dem diese lokale Wiederaufbauprojekte finanzieren kann. Damit soll die Handlungsfähigkeit des Kabinetts von Premier Fayez Serraj erhöht werden und in den Gemeinden die Akzeptanz der von den UN unterstützten Regierung verbessert werden. Auf längere Sicht will die Bundesregierung damit "zu einer Konsolidierung und Umsetzung der libyschen Friedensbemühungen" beitragen, wie es in einem internen Papier des Auswärtigen Amtes heißt, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Steinmeier: Libyen hat sich zum Tummelplatz für Schleuser und IS-Terrorbanden entwickelt

Der Fonds soll für die Jahre 2016 und 2017 insgesamt 40 Millionen Euro umfassen, von denen das Auswärtige Amt und das Entwicklungshilfeministerium bis zu einem Viertel bereitstellen könnten, wie es weiter heißt. Der Rest soll bei westlichen Partnerländern eingeworben werden - darunter die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien - , mit denen sich Berlin eng in der politischen Bewältigung der Krise in Libyen abstimmt. Das Konzept, das mit Kobler und dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP entwickelt worden ist, soll in dieser Woche in Berlin vorgestellt werden.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, Libyen habe sich zum "Tummelplatz für kriminelle Schleuser und für die Terrorbanden des Islamischen Staates" entwickelt, die auch Europa und Deutschland bedrohten. Auf Dauer werde man Schleusern und Terrorbanden aber nur das Handwerk legen können, wenn es wieder einen handlungsfähigen libyschen Staat gebe. Die beste Hoffnung darauf ist nach Ansicht der Europäer die Einheitsregierung.

Wie fragil die Lage in Tripolis nach wie vor ist, zeigte sich in der vergangenen Woche. Nachdem zunächst die von islamistischen Gruppen dominierte Gegenregierung in der Hauptstadt zusammen mit dem dortigen Parlament erklärt hatte, sie stelle ihre Aktivitäten ein und ordne sich der Einheitsregierung unter, widerrief der bereits von der EU mit Sanktionen belegte Premier Khalifa al-Ghwail dies wenig später. Seither herrscht noch mehr Konfusion.

Etliche Gemeinden hatten sich loyal mit der neuen Regierung erklärt. Ihnen sollen nun das Geld und die damit finanzierten Projekte zugute kommen. Die Regierung soll durch Wiederaufbauprojekte an Vertrauen gewinnen.

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