Nord Stream:"Russland erpresst uns"

Nord Stream: An diesem Donnerstag soll wieder Gas fließen durch die Rohre der Gasspeicheranlage Reckrod in der Nähe von Eiterfeld. Das fordert die Bundesregierung.

An diesem Donnerstag soll wieder Gas fließen durch die Rohre der Gasspeicheranlage Reckrod in der Nähe von Eiterfeld. Das fordert die Bundesregierung.

(Foto: Michael Probst/AP)

Präsident Putin lässt den Hahn an der Pipeline Nord Stream 1 wohl wieder aufdrehen - aber nur ein bisschen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wirft ihm vor, Energie als Waffe einzusetzen.

Von Markus Balser und Josef Kelnberger, Berlin, Brüssel

Nach neuen Drohungen von Russlands Präsident wachsen in Deutschland die Sorgen um eine Gas-Krise im Winter. Zwar signalisierte Wladimir Putin bei einem Gipfeltreffen in Iran, dass Europa in den nächsten Tagen wieder Gas über die Pipeline Nord Stream 1 erhalten wird. Gleichzeitig warnte er vor einer erneuten Drosselung Ende des Monats, sollte der Streit um eine sanktionierte Turbine nicht beigelegt werden. Gleichzeitig drohte Russlands Außenminister Sergej Lawrow, dass die militärischen Ziele Russlands über den Donbass hinausgehen würden, falls der Westen Langstreckenwaffen an Kiew liefere.

Gespannt wartet Europa nach der Wartung auf den Neustart der Pipeline an diesem Donnerstag. Putin deutete an, dass deren Kapazität wie schon vor der Wartung nur zu 40 Prozent genutzt werde. Komme eine fehlende Turbine nicht rechtzeitig zum Einsatz, sinke der Gasfluss Ende Juli sogar auf 20 Prozent ab. Deutschlands Gasspeicher könnten dann bis zum Winter nicht ausreichend gefüllt werden. Die Folge wäre eine Gaskrise. Vor allem in Süd- und Ostdeutschland könnte es zu Engpässen kommen. CSU-Chef Markus Söder hat bei der CSU-Landesgruppe in Kloster Banz bereits gefordert, dass der Süden und der Osten Deutschlands bei der Gasversorgung nicht abgehängt werden dürften.

In der Bundesregierung wächst der Ärger. Sie pochte am Mittwoch darauf, dass Gazprom ab Donnerstag wieder in vollem Umfang Gas liefert. "Wir gehen davon aus, das Russland seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt", sagte eine Regierungssprecherin. Russlands Kritik an der verspäteten Lieferung einer Turbine wies die Regierung zurück. Die aus Kanada gelieferte Turbine sei erst für einen Einsatz im September vorgesehen. Putin suche offenbar nach Vorwänden für geringere Lieferungen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will notfalls mit Zwangsmaßnahmen ihrer Behörde dafür sorgen, dass in den 27 Mitgliedsstaaten kein Engpass entsteht und ausreichend Gas gespart wird. Ein vollständiger russischer Lieferstopp sei "ein wahrscheinliches Szenario", sagte von der Leyen, als die Kommission am Mittwoch in Brüssel ihren Notfallplan für den kommenden Winter vorstellte. "Russland erpresst uns. Russland setzt Energie als Waffe ein", warnte sie.

Deshalb sollen die jeweiligen Regierungen zunächst in Eigenregie sicherstellen, dass in ihren Ländern der Gasverbrauch von August 2022 bis März 2023 um 15 Prozent im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren sinkt. Dann, sagte von der Leyen, komme Europa auch ohne russisches Gas über die Runden. Für den Fall, dass dieses Ziel nicht erreicht wird, will sich die Kommission das Recht sichern, die Regierungen zum Sparen zu zwingen.

Die für Energie zuständigen Minister befassen sich am Dienstag mit dem Vorschlag der Kommission. Mit Widerstand ist zu rechnen. Von der Leyen argumentierte mit den Erfahrungen der Pandemie. Nur wenn die EU solidarisch handle, sei sie in der Lage, Krisen zu meistern. Die Staaten in der EU sind nach den eigenen Regeln verpflichtet, sich gegenseitig mit Gas auszuhelfen. Ungarn hat allerdings bereits angekündigt, andere Länder nicht mehr mit Gas zu beliefern.

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