Mecklenburg-Vorpommern:"Unverhohlen direkte Einflussnahme" durch Gazprom

Mecklenburg-Vorpommern: Nord-Stream-2-Station in Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern. Das Zertifizierungsverfahren ist inzwischen gestoppt.

Nord-Stream-2-Station in Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern. Das Zertifizierungsverfahren ist inzwischen gestoppt.

(Foto: Stefan Sauer/DPA)

Ministerpräsidentin Schwesig und ihr Vorgänger hatten intensivere Kontakte mit Vertretern der Nord Stream 2 AG als bislang gedacht. Ihr Ziel war, das Gas-Geschäft mit Russland rücksichtslos abzusichern, sagt die Opposition.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Die SPD-geführte Regierung von Mecklenburg-Vorpommern hat sich häufiger mit Managern der kremlnahen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 getroffen als bisher bekannt war. Das geht aus Antworten auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach gab es in den vergangenen Jahren diverse Zusammenkünfte zwischen SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und ihren Kabinettsmitgliedern mit Vertretern des Unternehmens, das die von Anfang an umstrittenen Gasröhren aus Russland nach Lubmin im deutschen Nordosten betreibt.

Gleichzeitig kritisieren die Grünen, dass in diesen Antworten Dokumente und Korrespondenzen fehlen, die bereits in der Welt am Sonntag zitiert wurden und eine besondere Nähe zu Nord Stream 2 zeigen. Es geht dabei unter anderem um die sogenannte Klimastiftung MV, mit der für den Weiterbau der Röhren US-Sanktionen umgangen werden sollten. Schwesig gerät immer mehr unter Druck. "Mit der fortgesetzten Intransparenz gegenüber dem Parlament versucht die Ministerpräsidentin, sich selbst zu schützen", so der Grünen-Abgeordnete Hannes Damm. Er nennt dies "demokratiegefährdend".

In Terminlisten der Landesregierung sind seit 2012 beispielsweise mindestens 14 Treffen oder Gespräche von Regierungschefin Schwesig und ihrem Vorgänger Erwin Sellering mit Matthias Warnig verzeichnet, dem CEO von Nord Stream 2. Der frühere Stasi-Offizier Warnig gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er soll einst auch gute Kontakte zu Putins Dresdner KGB-Zelle gehabt haben, später wurde er in Russland Banker und übernahm erst die Geschäftsführung von Nord Stream, zuständig für die 2011 eröffnete Pipeline Nord Stream 1. Danach übernahm er die Leitung von Nord Stream 2, deren Inbetriebnahme nach dem russischen Angriff auf die Ukraine von der Bundesregierung gestoppt wurde.

Es gab unter anderem im September 2020 in Heringsdorf auf Usedom ein Abendessen von Schwesig, Warnig und Altkanzler Gerhard Schröder, dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates von Nord Stream 2. Die Begegnung ereignete sich wenige Wochen nach einer Besprechung von Schwesig und Warnig in der Schweriner Staatskanzlei. Im November und Dezember 2020 folgten weitere Gespräche von Schwesig und Warnig.

Inzwischen nennt Schwesig Putin einen Kriegsverbrecher

Damals drohten die USA Bauhelfern von Nord Stream 2 mit Sanktionen, das betraf auch Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern wie den Hafen von Sassnitz auf Rügen. Daraufhin gründeten Landesregierung und Landtag im Januar 2021 eine sogenannte Klimastiftung MV, deren Hauptzweck ganz offensichtlich darin bestand, den Widerstand aus Washington zu umgehen und die Gasleitung fertigzubauen.

Auch Schwesigs Vorgänger Sellering traf mehrfach mit Warnig und Schröder zusammen, er leitete einen deutsch-russischen Partnerschaftsverein, wurde Vorsitzender dieser vermeintlichen Klimastiftung und tauschte sich in dieser Funktion mehrfach mit der Regierung Schwesig aus. Dabei hieß es aus Schwerin immer, die Stiftung sei eigenständig. Finanziert wurde sie mit 200 000 Euro vom Land, vor allem aber mit zunächst 20 Millionen Euro von Nord Stream 2 beziehungsweise dem russischen Gaskonzern Gazprom. 60 Millionen Euro sollten es über weitere Jahre hinweg werden, unter anderem wurde ein Spezialfrachter namens Blue Ship gekauft.

Sellering feierte die Fertigstellung von Nord Stream 2 noch im Januar 2022, als Putins Armee schon an der ukrainischen Grenze aufmarschiert war. Inzwischen distanzieren sich Schwesig und auch Sellering von Moskau. Schwesig nennt Putin nun einen Kriegsverbrecher. Ihre inzwischen rot-rote (vorher rot-schwarze) Regierung will die Stiftung auflösen, Sellering wehrt sich. Die Reaktion auf die Anfrage der Grünen im Schweriner Landtag und weitere Recherchen allerdings legen den Eindruck nahe, dass die Verbindung zwischen dem Kabinett Schwesig und zuvor Sellering und Nord Stream sehr eng waren.

Um die 50 Zusammenkünfte sind dokumentiert, häufig dabei war auch Schwesigs früherer Energieminister und heutiger Innenminister Christian Pegel (SPD). Die Welt am Sonntag liefert Auszüge aus internen Papieren, wonach ein Sprecher von Nord Stream 2 Pegel und Schwesigs damaligem Staatskanzleichef Heiko Geue empfohlen habe, die Stiftung "mit einem Augenzwingern als 'smarte Antwort' auf das Hardliner-Gebaren der USA zu positionieren". Er habe auch darum gebeten, bei Gesprächen mit Journalisten im Hintergrund mithören zu dürfen. Schwesig habe außerdem um ein "Argumentationspapier" zur Beantwortung von Presseanfragen gebeten

Opposition bereitet Untersuchungsausschuss vor

Das Landgericht Schwerin hat nach einer Klage des Transparenzportals "Frag' den Staat" die Freigabe der Akten angeordnet und die Klimastiftung MV aufgefordert, Auskunft über ihren Geschäftsbetrieb zu geben. CDU, Grüne und FDP bereiten in Schwerin einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vor. Mario Czaja, Generalsekretär der CDU im Bund, verlangt im Spiegel Aufklärung darüber, "wie stark sich Manuela Schwesig für die Interessen Russlands hat instrumentalisieren lassen. Eine Ministerpräsidentin kann nicht gleichzeitig Putin-Lobbyistin sein".

"Die große Anfälligkeit der Landesregierung, das Gasgeschäft mit Russland trotz bestehender Sanktionen wegen der Krim-Annexion und des Krieges in der Ost-Ukraine 2021 rücksichtslos abzusichern, hat dem Ruf des Landes Mecklenburg-Vorpommern massiv geschadet", so der Grünen-Fraktionsvorsitzende Harald Terpe. "Die unverhohlen direkte Einflussnahme der Nord Stream 2 AG und des russischen Staatskonzerns Gazprom auf Politik und Kommunikation der Landesregierung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig provoziert weitere Fragen."

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