Süddeutsche Zeitung

Außenpolitik:Zwei Freunde sollt ihr sein

Die neue US-Administration und die Bundesregierung wollen beide wieder an die engen Beziehungen der Ära vor Donald Trump anknüpfen. Wenn da nur nicht der Bau dieser Gaspipeline nach Russland wäre.

Von Daniel Brössler, Berlin

Vielleicht ist es Zufall. Vielleicht auch nicht. Kurz bevor sich US-Präsident Joe Biden an diesem Freitag virtuell nach Deutschland begab, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an einer digitalen Kurzversion der Münchner Sicherheitskonferenz teilzunehmen, erhielt er Post. Zwei Senatoren schrieben an den "lieben Präsidenten Biden", um ihn auf eine Politik zu verpflichten, die schon während der Amtszeit seines Vorgängers Donald Trump gegolten hatte. "Die Beziehung der USA zu Deutschland ist ein Eckpfeiler der transatlantischen Allianz", betonten sie, "aber die Vollendung von Nord Stream 2 zuzulassen, ist kein konstruktiver Weg voran in dieser Partnerschaft." Das Interessanteste an dem Brief sind die Unterzeichner. Jim Risch ist der eine, Jeanne Shaheen die andere. Risch ist Republikaner, Shaheen ist Demokratin.

Womit die Zwickmühle beschrieben wäre, in der sich Biden befindet, wenn es um die Gas-Pipeline geht, die schon seit Langem für Streit sorgt zwischen Deutschland und den USA. Biden und sein Außenminister Antony Blinken haben klargestellt, wie viel ihnen an einer Verbesserung der Beziehungen zu den Verbündeten liegt, gerade auch zu Deutschland, das von Trump besonders schlecht behandelt wurde. Das Beispiel Nord Stream 2 allerdings zeigt, wie schwierig es werden könnte, den Schalter in der Praxis umzulegen. In ihren Schreiben pochen Risch und Shaheen auf die "vollständige Umsetzung" zweier Gesetze, die Fertigstellung und Betrieb der deutsch-russischen Gas-Pipeline mit Sanktionen bedrohen. "Diese wichtige Gesetzgebung wurde mit starker überparteilicher Unterstützung während des 116. Kongresses verabschiedet", erinnerten die Senatoren.

Auch Außenminister Maas warnt vor schnellen Entschlüssen

Je weiter Biden also der Bundesregierung entgegenkäme, desto sicherer würde er den Konsens in einem der wenigen Bereiche gefährden, in denen Demokraten und Republikaner sich einig sind in Washington. Vor allem würde er auch Ärger riskieren mit den eigenen Demokraten. Bisher ist auch noch nicht klar, worin dieses Entgegenkommen überhaupt bestehen könnte. Bundeskanzlerin Merkel hält an dem Projekt fest, auch nach der Verhaftung und Aburteilung des vergifteten russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Die Haltung zu Nord Stream 2 sei davon "erst einmal unberührt", sagte sie kürzlich. Wer Nord Stream 2 grundsätzlich infrage stelle, müsse die geostrategischen Konsequenzen bedenken, "und was das für die Einflussmöglichkeiten Europas auf Russland bedeutet", warnte auch Außenminister Maas (SPD).

Weiter so also? Sowohl in der Bundesregierung als auch in den beiden Koalitionsfraktionen hält man das nicht wirklich für einen realistischen Weg, sieht sich allerdings auch hier in der Zwickmühle. Die Chance auf Partnerschaft nach den Pöbeleien der Trump-Jahre soll unbedingt genutzt werden, die Pipeline schon wegen befürchteter Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe aber nicht aufgegeben werden. "Wir müssen von uns aus aktiv das Gespräch suchen", fordert Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. "Es muss sich was bewegen", verlangt Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und CDU-Präsidiumsmitglied. Beide teilen die Einschätzung, dass Biden und sein Außenminister Blinken zumindest offen sind für Vorschläge aus Berlin.

Die Hoffnung stützt sich dabei auch auf ein Buch, das Blinken über "Amerika, Europa und die sibirische Pipeline-Krise" geschrieben hat. Darin befasst sich Blinken mit einer transatlantischen Krise wegen eines Röhrengeschäfts und spricht sich gegen Druck auf Deutschland aus. Das Buch ist allerdings von 1987 und handelt von einem besonderen Kapitel des Kalten Krieges. Doch möchte man es in Berlin als Hinweis lesen, dass Blinken den von den USA eingeschlagenen Weg der Sanktionen nicht wird weitergehen wollen. Gesagt hat er das freilich bisher noch nicht. Im Gegenteil. Er wisse, dass Präsident Biden im Falle von Nord Stream 2 "jedes Mittel der Überzeugung nutzen wird, um unsere Freunde und Partner, einschließlich Deutschland, dazu zu bringen, nicht weiter voranzuschreiten", versicherte er bei seiner Anhörung im Senat.

Bei den ersten Gesprächen von Maas und Blinken spielte die Pipeline offenbar noch keine Rolle - was in Berlin eher als gutes Zeichen gewertet wird. Bei der ersten ersten großen Besprechung, pandemiebedingt wohl per Video, soll das Thema aber auf die Tagesordnung kommen. Erst dann wird sich zeigen, wie belastbar die Washingtoner Signale der Kompromissbereitschaft sind. Ob Biden und Blinken bereit sein werden, innenpolitische Risiken einzugehen und Sanktionsdrohungen zurückzunehmen, dürfte dabei stark davon abhängen, ob die deutsche Seite ein interessantes Angebot macht.

Erste Ideen kommen in Berlin aus dem Parlament. Führende Außenpolitiker haben sich bereits positioniert. So spricht sich Johann Wadephul, Vizechef der Unionsfraktion, gegen einen Baustopp aus, befürwortet aber die Idee einer "Abschaltvorrichtung", die etwa zum Einsatz käme, wenn Russland der Ukraine den Gashahn abdreht. Sein Parteifreund Röttgen, ein langjähriger Kritiker der Pipeline, sieht das skeptisch. "Damit machen wir die Pipeline unsererseits zum politischen Kampfinstrument", warnt er. Sinnvoller sei ein "Vertrag über Energiesicherheit in Europa", an dem auch die USA beteiligt werden könnten. Gesucht werden müsse eine "Lösung im Rahmen der Russland-Politik", argumentiert SPD-Außenpolitiker Schmid. Ihm schwebt eine Art Stufenplan vor: Die USA legen die Sanktionen auf Eis. Im Gegenzug wird die Pipeline fertig gebaut, aber nicht in Betrieb genommen, bis man sich auf eine gemeinsame Linie gegenüber Russland verständigt hat.

Für den Test solcher Ideen gibt es normalerweise einen Ort: die Gänge der Münchner Sicherheitskonferenz. Bei der pandemiebedingt digitalen Ausgabe am Freitag war da eher kein Fortschritt zu erwarten.

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