EU-Wahlkampf:Leitungs­störung

Nord Stream 2 Verlegeschiff

Ein Politikum: Vor Rügen werden Rohre für Nord Stream 2 verlegt.

(Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Vor der Europawahl kündigt EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber an, die Gaspipeline Nord Stream 2 stoppen zu wollen. Damit stellt er sich offen gegen die Kanzlerin.

Von Daniel Brössler, Alexander Mühlauer und Robert Roßmann, Berlin/Brüssel

Auf 22 Seiten haben CDU und CSU aufgeschrieben, was ihnen wichtig ist vor der Europawahl Ende Mai. Das beginnt bei den Grundfreiheiten und endet bei der EU-Erweiterung. Ein Stichwort aber fehlt: Nord Stream 2. "Bei der Erdgasversorgung darf sich Europa nicht von einzelnen Ländern abhängig machen", steht da nur. Weder Russland noch das umstrittene Projekt der Ostsee-Pipeline werden beim Namen genannt. Das hat jetzt Manfred Weber (CSU) übernommen. Der Spitzenkandidat sowohl der Europäischen Volkspartei (EVP) in Europa als auch von CDU und CSU in Deutschland sagte einer polnischen Zeitung: "Als Chef der EU-Kommission werde ich alle Vorschriften anwenden, um Nord Stream 2 zu blockieren."

Damit stellt sich Weber in direkten Widerspruch zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie unterstützt das bereits weit vorangeschrittene Vorhaben, setzt sich zugleich aber dafür ein, dass auch die Gas-route über die Ukraine erhalten bleibt. Schon länger ist bekannt, dass Weber alles andere als ein Freund der neuen Röhre ist. Entsprechend hat er sich auch schon im Europäischen Parlament geäußert. Dass Weber aber jetzt mit einer so klaren Abweichung von Merkels Linie in die heiße Phase des Europawahlkampfs zieht, lässt in Berlin viele aufhorchen. An der Position der Bundesregierung habe sich nichts verändert, ließ Merkel am Mittwoch eine Sprecherin mitteilen. Weber habe sich als wahlkämpfender Spitzenkandidat geäußert, das werde man nicht kommentieren.

Aus der Union allerdings erhält Weber durchaus Unterstützung. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, verteidigte ihn. Hardt sagte der Süddeutschen Zeitung, als möglicher zukünftiger Kommissionspräsident nehme Weber "klar die Interessen aller 28 EU-Mitgliedstaaten in den Blick, auch der kleineren" - das sei auch seine Aufgabe. Nord Stream 2 sei "von Anfang an ein hochpolitisches Projekt" gewesen. "Deshalb hätte Deutschland die Bedenken unserer östlichen EU-Partner bereits viel früher in der Entscheidungsphase ernst nehmen müssen".

Bedauerlicherweise habe sich aber "Ex-Kanzler Gerhard Schröder und in der Folge auch Außenminister Sigmar Gabriel persönlich sehr stark für Nord Stream 2 eingesetzt", sagte Hardt. Dies habe "eine frühzeitige und ergebnisoffene Abstimmung in der EU nicht möglich gemacht und zu Irritationen geführt". Diese könnten "im Nachhinein kaum mehr ausgeräumt werden".

"Wenn die Nord-Stream-2-Pipeline jetzt zu Ende gebaut wird, muss das Projekt die Energiesicherheit der gesamten EU ebenso wie ihrer Partner, vor allem auch der Ukraine, erhöhen", verlangte Hardt. Außerdem dürfe "Nord Stream 2 nicht zu einer einseitigen Energieabhängigkeit von Russland führen". Allerdings hänge "diese nicht alleine von den Transportwegen ab, sondern von der Menge russischen Gases insgesamt, das Teil des Energiemixes der EU-Staaten ist".

Fraglich ist, ob Weber im Fall seiner Wahl zum Kommissionspräsidenten den Pipeline-Bau überhaupt noch stoppen könnte. Erst vor Kurzem haben sich die EU-Staaten auf einen Kompromiss zur Änderung der Gasrichtlinie geeinigt. Nun dürfte es keine Mehrheit dafür geben, dieses heikle Dossier noch einmal aufzuschnüren. Dem Kompromiss war ein Streit zwischen Deutschland und Frankreich vorausgegangen. Lange Zeit wähnte die Bundesregierung Paris an ihrer Seite, aber im entscheidenden Moment stellte sich Frankreich gegen Deutschland. In einer Hau-Ruck-Aktion wurde ein Kompromiss mit Hilfe der EU-Kommission geschmiedet, der strenge Vorschriften für die Trennung von Gaslieferant und Pipeline-Betreiber vorsieht. Das Vorhaben des russischen Staatskonzerns Gazprom dürfte damit für die Betreibergesellschaft zwar teurer werden, sich aber wirtschaftlich dennoch lohnen. Der Frage, ob Weber als Kommissionspräsident Nord Stream 2 auf Grundlage dieses Kompromisses noch stoppen könnte, wich die Bundesregierung am Mittwoch aus. Das, so hieß es, sei ein "Blick in die Glaskugel".

Umstritten ist die Pipeline, weil sie zum einen nach Ansicht von Kritikern dem Ziel der EU zuwiderläuft, die Abhängigkeit von Russland als Gaslieferant zu verringern. Zum anderen befürchtet die Ukraine eine strategische Schwächung gegenüber Russland, wenn sie als Transitland überflüssig wird. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sprach deshalb im Februar von einem "Interessenzwiespalt". Es gehe um eine Abwägung der Interessen Deutschlands sowie der Ukrainer und der Osteuropäer. Die Frage, ob sich Deutschland zu sehr von russischem Gas abhängig mache, halte sie für legitim, sagte Kramp-Karrenbauer der Zeitschrift Internationale Politik. Sie halte die Gefahr einer solchen Abhängigkeit aber für "nicht so groß". Schließlich baue Deutschland derzeit auch Terminals für Flüssiggas aus den USA. Zudem müsse man "realistisch sagen", dass Nord Stream 2 "wohl nicht mehr zu verhindern ist".

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Manfred Weber

Umstrittene Pipeline
:Weber für Baustopp von Nord Stream 2

Der EVP-Spitzenkandidat sagt, er lehne das Projekt ab, weil es nicht im Interesse der EU sei. Weber stellt sich damit entschieden gegen die Bundesregierung.

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