Nord Stream 2:"Die Zeit des Schummelns ist vorbei"

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Soll die Merkwürdigkeiten bei der Klimastiftung aufklären: der parlamentarische Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Das Parlament in Schwerin untersucht, inwieweit Moskau und Gazprom die "Klimastiftung" Mecklenburg-Vorpommerns beeinflussten. Es geht auch um viel Geld.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Im Hafen Mukran bei Sassnitz auf Rügen liegt schon länger ein blaues Schiff. Es heißt Blue Ship und wurde dafür benutzt, die umstrittenste Pipeline der Welt fertig zu stellen. Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV hatte den Frachter gekauft. Sie wollte mögliche US-Sanktionen gegen Privatfirmen umgehen, die beim Bau der Ostsee-Gastrasse Nord Stream 2 von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern halfen. Das gelang, aber seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist Nord Stream 2 Geschichte und das Geschäft der Region mit den Russen Anlass für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Am Freitag trat das Gremium im Schweriner Schloss erstmals zusammen, beantragt von der Opposition aus CDU, Grünen und FDP. In den kommenden Monaten soll geklärt werden, welchen Einfluss die Nord Stream 2 AG beziehungsweise Moskau auf diese Stiftung sowie die erst rot-schwarze und dann rot-rote Landesregierung hatte. Es geht um viel Geld. Und es geht um den Ruf von SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und ihrem Vorgänger Erwin Sellering. Der hatte zuletzt gelitten.

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Das geben Ministerpräsidentin Schwesig und der Stiftungsvorsitzende Sellering bekannt. Über die weiteren rechtlichen Möglichkeiten seien die beiden "unterschiedlicher Auffassung".

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Anfang 2021 war die sogenannte Klimastiftung im Landtag gegründet worden, damals regierte die SPD mit der CDU im deutschen Nordosten. Als offizieller Hauptzweck der Schöpfung, geleitet von Sellering, galt der Umweltschutz, als "zeitweiliger Nebenzweck" über einen sogenannten Geschäftsbetrieb die Fertigstellung der Röhren.

Die Grünen sind überzeugt, dass es nie zuerst um die Umwelt ging

Das Bundesland spendierte 200 000 Euro, die Nord Stream 2 AG im Besitz von Gazprom zunächst 20 Millionen Euro, bis zu 60 Millionen Euro sollten es werden. Inzwischen ist klar, dass die Prioritäten umgekehrt lagen: "Für mich ist die Frage nach dem Hauptzweck final geklärt", sagt der Grünen-Abgeordnete Hannes Damm, einer der Antreiber dieses Untersuchungsausschusses. Es war die Gasleitung.

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Kürzlich gab die Stiftung bekannt, dass dafür "mit etwa 80 Unternehmen Verträge mit einem Gesamtvolumen von 165 Millionen Euro abgeschlossen worden" seien. "Die Lieferanten und Dienstleister kamen zu etwa einem Drittel aus Mecklenburg-Vorpommern und zu etwa 50 Prozent aus Norddeutschland." Einzelheiten werden "aus Geheimhaltungsgründen" nicht verraten. Gerichte hatten die Stiftung dazu aufgefordert, überhaupt Auskünfte zu erteilen.

165 Millionen Euro, achtmal so viel wie der Beitrag für ökologische Projekte wie "Buddeln für Bäume"? Für "die unternehmerische Tätigkeit" habe die Nord Stream 2 AG "auf diese Vergütung Anzahlungen" geleistet, so die Stiftung, mit einem Aufschlag von zehn Prozent. Das illustriert, wie sehr es bei der Klimastiftung um die Pipeline ging. Gleichzeitig passt es nicht zur angeblichen Bedeutung von Nord Stream 2 für Mecklenburg-Vorpommern, wenn zwei Drittel der Firmen für die finalen Arbeiten aus anderen Gegenden kamen. Allein das Blue Ship unter zypriotischer Flagge, von dem aus Steine für die Sicherung der Gasrohre auf dem Meeresboden verschüttet wurden, hat mutmaßlich einen zweistelligen Millionenbetrag verschlungen. Jetzt soll es verkauft werden.

Das "Blue Ship" im Hafen Mukran auf Rügen: Die Stiftung kaufte es möglicherweise, um US-Sanktionen zu umgehen. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Der Geschäftsbetrieb soll abgewickelt und die Stiftung aufgelöst werden. Manuela Schwesig räumt "mit dem Wissen von heute" Fehler beim langen Festhalten an Nord Stream 2 ein, aber verweist stets darauf, dass auch die Bundesregierung bis zum Krieg in der Ukraine zur Pipeline gestanden hatte. Die parlamentarischen Ermittler wollen nun die politischen Verbindungen zum Kreml erkunden, "das ganze Lobbynetzwerk", wie der Grünen-Aufklärer Damm es nennt.

Als Zeugen könnte auch Gerhard Schröder geladen werden

Nord Stream und Gazprom waren in der Region sehr aktiv, sie unterstützten unter anderem auch einen deutsch-russischen Partnerschaftsverein. Die Klimastiftung bezeichnet Damm als "Fake-Klimastiftung" und als "Waschanlage für russisches Geld" - "nicht im juristischen Sinne", wie er nachschiebt. Die Stiftung spricht von "verleumderischer Stimmungsmache."

Akten sollen durchforstet und Zeugen geladen werden, darunter außer Schwesig und Sellering vermutlich auch Gerhard Schröder und Matthias Warnig, früherer Stasi-Mann, Putin-Intimus und bis zuletzt CEO von Nord Stream 2. Es gab diverse Treffen von Schweriner Regierungsleuten und Vertretern von Nord Stream. "Die Zeit des Schummelns und Tricksens ist vorbei", sagt Hannes Damm. "Alle, die etwas zu verbergen haben, müssen sich spätestens jetzt warm anziehen."

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