Süddeutsche Zeitung

Nord-SPD-Chef Stegner zu Wowereits Entscheidung:"Beste Alternative heißt eindeutig Rot-Grün"

War es wirklich nur die Autobahn? Oder hatte Klaus Wowereit keine Lust auf die Grünen? Beides falsch, sagt Ralf Stegner. Als Landeschef der Nord-SPD strebt er 2012 eine rot-grüne Koalition an - ungeachtet der gescheiterten Gespräche in Berlin. Das Verhältnis zwischen SPD und Öko-Partei werde darunter nicht leiden. "Wir sind keine Betonpartei", sagt Stegner im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Michael König

Ralf Stegner, 52, war Finanzminister und Innenminister in Schleswig-Holstein. Seit 2007 ist er Vorsitzender des nördlichsten Landesverbands der SPD, seit 2008 Oppositionsführer im Landtag.

sueddeutsche.de: Herr Stegner, hat Ihr Parteigenosse Klaus Wowereit keine Lust mehr auf Berlin? Gerüchten zufolge hat er Rot-Grün scheitern lassen, weil er 2013 abtreten und für den Bundestag kandidieren will.

Ralf Stegner: Solche Gerüchte werden immer wieder gestreut, gerade über Klaus Wowereit, der ein erfolgreicher Regierender Bürgermeister und SPD-Politiker ist. Ich glaube nicht daran. Gemeinsam mit dem Berliner SPD-Chef Michael Müller ist Wowereit offenbar zu der Einschätzung gekommen, dass mit den Berliner Grünen keine stabile Koalition zu machen ist, die fünf Jahre hält. Das ist bedauerlich, aber es ist Fakt.

sueddeutsche.de: Offiziell heißt es, Wowereit habe die Wunschkoalition vieler Berliner wegen 3,2 Kilometern Autobahn platzen lassen. Ist das nachvollziehbar?

Stegner: Es geht nie nur um ein Sachthema, das weiß ich aus eigenem Erleben. Es muss gewährleistet sein, dass man sich aufeinander verlassen kann, dass eine stabile Verbindung entsteht. Nach meiner Wahrnehmung war das in Berlin nicht der Fall. Als Partei, die es nicht zu anderen Partnern drängt und die mehrheitlich für eine Koalition mit den Grünen ist, hat es sich die SPD sicher nicht leicht gemacht. Aber dann kam die Frage auf, mit wem man mehr von der eigenen Politik durchsetzen kann. Und das war am Ende eher die CDU.

sueddeutsche.de: Kein Grüner werde das der SPD vergessen, sagte die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast. Hat Wowereit das rot-grüne Verhältnis über die Berliner Landespolitik hinaus beschädigt?

Stegner: In der Politik sollte man mit Ewigkeitsbegriffen vorsichtig sein. Parteien sind am Ende rationale Gruppierungen, da spielen Emotionen eine untergeordnete Rolle. Außerdem ist Berlin ein besonderer Fall, der eine Verallgemeinerung nicht zulässt.

sueddeutsche.de: In Schleswig-Holstein stehen nächstes Jahr Wahlen an, im Bund spätestens 2013. Befürchten Sie dort keinen rot-grünen Streit?

Stegner: In Schleswig-Holstein und im Bund stellt sich die Lage anders da. In beiden Fällen muss eine völlig abgewirtschaftete schwarz-gelbe Regierung abgewählt werden. Da lautet die Alternative eindeutig Rot-Grün.

sueddeutsche.de: Die Berliner Autobahn ist kein Einzelfall. In Baden-Württemberg streiten SPD und Grüne wegen Stuttgart 21, in Bayern geht es um die dritte Startbahn des Münchner Flughafens. Bekommt Rot-Grün langfristig ein Problem?

Stegner: Wer da schwarz-weiß denkt, der ist wirklich von gestern. Die SPD ist keine Betonpartei, wie uns jetzt immer vorgeworfen wird. Und die Grünen sind nicht durch die Bank Fortschrittsverweigerer. Gegen jede Infrastrukturmaßnahme zu sein, gegen alles zu wettern, das ist keine politische Position. Das ist den Grünen auch klar. Man muss wirtschaftliches Wachstum mit ökologischer Vernunft verbinden. Ich glaube, dass das möglich ist. Die SPD im Norden hat ein starkes ökologisches Profil, auch deshalb werden wir bei der Wahl stärkste Kraft werden. Das unterscheidet uns im Übrigen auch von Baden-Württemberg: Wir kämpfen nicht mit den Grünen um Platz zwei, sondern mit der CDU um Platz eins.

sueddeutsche.de: Eine Koalition mit der CDU kommt für Sie nicht in Frage?

Stegner: Man darf nie nie sagen. Wenn der Wähler es so will, muss man als Demokrat immer in der Lage sein, mit anderen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten. Aber die CDU ist dermaßen abgewirtschaftet, dass sie dringend eine Ruhepause in der Opposition braucht. Von der Fast-Drei-Prozentpartei ganz zu schweigen.

sueddeutsche.de: In Berlin hat die Piratenpartei Bereitschaft zu Sondierungsgesprächen gezeigt. Zeigt sich da ein neuer Koalitionspartner für die SPD?

Stegner: Das glaube ich nicht, denn die Piraten speisen sich aus drei Quellen. Sie sind ein bisschen Protestpartei, ein bisschen Spaß- und Großstadtpartei und sie sind eine Internetpartei. Aber was das Netz angeht, gibt sich auch die SPD Mühe, das Feld zu besetzen. Wenn wir unsere Arbeit richtig machen, werden die Piraten in Schleswig-Holstein vielleicht etwas stärker als die FDP. Aber ins Parlament kommen sie nicht.

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