Globale Krisen:Grundwissen für die wilde Welt

Globale Krisen: Norbert Röttgen, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss, und Talkshow-Dauergast.

Norbert Röttgen, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss, und Talkshow-Dauergast.

(Foto: Johannes Simon)

CDU-Politiker Norbert Röttgen hat ein "Manifest" für eine neue Außenpolitik vorgelegt. Seiner Meinung nach fehlt den Deutschen die Fähigkeit zum strategischen Denken.

Von Stefan Kornelius

Aufwühlende Zeiten wie diese treiben die Sprachgewaltigen an die Computer. Empörungsrufer, Pamphletisten, Unterschriftensammler - der Gefühls- und Meinungsstau muss ins Offene. Je knackiger die Formel, desto mehr Unterschriften sammeln sich darunter. Norbert Röttgen hat seinen Namen unter keinen der Aufrufe gesetzt, stattdessen hat er selbst ein "Manifest" verfasst, das in seinem holprig appellativen Titel ("Nie wieder hilflos!") mit einem Ausrufezeichen offenbar noch ein bisschen mehr Wucht erzielen sollte. Das war gar nicht nötig, denn auf den 137 Seiten verliert das Manifest dann doch an Schneidigkeit und gerät zu einem Erklärstück über die außenpolitische Schwäche Deutschlands, was ihm ganz gut tut.

Norbert Röttgen ist in seiner politischen Karriere viele Pfade gegangen, zuletzt war er eine Art freies Unionsmolekül. Das hat ihm im Wettbewerb mit Friedrich Merz und Armin Laschet um dem Vorsitz der CDU Respekt, aber nicht ausreichend viel Unterstützung eingebracht.

Ein Mann der offenen Worte

Bindungen hat Röttgen gleichwohl entwickelt, vor allem in die Community der Außenpolitiker, wo ihm europa- und weltweit Respekt entgegengebracht wird als Deuter der deutschen Rolle in der Außenpolitik und als Mann des offenen Wortes. Die ehemalige Kanzlerin hat's nicht immer gern gesehen, aber der Vorsitz im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Bundestags verleiht genug Gravitas, um jenseits der Regierungsdisziplin eine eigene Sprache zu pflegen.

Globale Krisen: Norbert Röttgen: Nie wieder hilflos! Ein Manifest in Zeiten des Krieges. dtv, München 2022. 144 Seiten, 14 Euro. E-Book: 10,99 Euro. (im Buchhandel von Dienstag, 24. Mai, an)

Norbert Röttgen: Nie wieder hilflos! Ein Manifest in Zeiten des Krieges. dtv, München 2022. 144 Seiten, 14 Euro. E-Book: 10,99 Euro. (im Buchhandel von Dienstag, 24. Mai, an)

(Foto: dtv)

Röttgen hat also sieben Jahre lang Expertise angehäuft und die letzten Verwicklungen im außenpolitischen Geschäft durchschaut, sodass sein Buch zur Schnelleinführung in die wilde Welt gerät. Wer sich eh mit dieser Welt beschäftigt, wird die Lageanalyse kennen - für alle anderen ist das ein bequemer Einstieg, um das Grundwissen Russland, USA, China, Klima, Migration oder Pandemie aufzufrischen.

Röttgen nennt keine Namen, manchmal fehlt auch die Tiefe

In der globalisierten Welt hängt alles mit allem zusammen, und auch Deutschland steckt in der Falle, was Röttgen zu der schönen Bemerkung verleitet, er werde oft im Ausland gefragt, ob Deutschland die Probleme nicht habe kommen sehen. Doch, sagt er dann, "aber wir haben entschieden, (sie) nicht sehen zu wollen". Deutschland habe "intellektuell und institutionell seine Fähigkeit zum strategischen Denken verloren". Ein bisschen mehr Tiefe wünscht man sich an diesem Punkt der Analyse des "öffentlichen Verdrängungsmechanismus", Röttgen nennt keine Namen und bleibt manchmal in der Formelsprache der Außenpolitiker stecken. Aber der Anfang ist gemacht. Die "Zeitenwende" wird noch ein paar dieser Bücher brauchen.

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