CDU:Der Wiederaufstieg des Norbert Röttgen

Berlin, Plenarsitzung im Bundestag Deutschland, Berlin - 27.11.2019: Im Bild ist Norbert Röttgen (cdu) während der Sitzu

"Dass ich offen bin und nicht abgeschlossen habe, das ist richtig": Norbert Röttgen über seine Ambitionen.

(Foto: Christian Spicker/imago)

Er galt als ein möglicher Kandidat fürs Kanzleramt - bis er bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2012 scheiterte und ihn Merkel aus dem Kabinett warf. Jetzt macht der einstige Umweltminister wieder von sich reden.

Von Robert Roßmann, Berlin

In der Politik zeigt sich Macht auch in Gesten und Bildern. Wie dominant tritt jemand auf? Wie reagieren die anderen? Und wie weit traut sich einer vorzupreschen? Daran lässt sich gut erkennen, wie es gerade um einen Politiker steht. Das Geschäft hat ja immer noch etwas Wolfsrudelhaftes. Wenn man das im Kopf hat, fällt einem in diesen Wochen immer wieder ein Mann auf, der eigentlich schon politisch totgesagt war: Norbert Röttgen.

In Berlin wird sich bald vieles neu sortieren. Die Koalition ist ausgezehrt, Angela Merkel in der Schlussphase ihrer langen Kanzlerschaft. In so einer Umbruchzeit werden neue Karrieren möglich. Und Röttgen scheint diese Phase nutzen zu wollen. Der Ex-CDU-Vize und Ex-Bundesminister wirbelt jedenfalls gerade in einer Weise, wie es Ministerinnen wie Anja Karliczek wohl nie gelingen wird.

Offen zugeben will Röttgen seine Ambitionen zwar nicht, so etwas schickt sich ja nicht. "Ich würde nicht sagen, dass ich planvoll an einer Karriere arbeite, das habe ich nie gemacht", sagt er, wenn man ihn danach fragt. Aber ganz verleugnen will er sich dann doch nicht: "Dass ich voll dabei bin und mich einsetze und artikuliere, dass ich offen bin und nicht abgeschlossen habe, das ist richtig." Und artikuliert hat sich Röttgen in den vergangenen Wochen tatsächlich oft.

Auf dem CDU-Parteitag setzte er einen Huawei-Antrag durch, zum Leidwesen der Kanzlerin

Auf dem jüngsten CDU-Parteitag setzte er - zum Leidwesen der Kanzlerin - einen Antrag zu Huawei durch, der eine Beteiligung des chinesischen Konzerns am Aufbau des deutschen 5G-Mobilfunknetzes praktisch ausschließt. Merkel hatte davor gewarnt, ein einzelnes Unternehmen oder einen einzelnen Staat auszuschließen - auch, weil sie die Chinesen nicht ohne Not verprellen will. Als Wirtschaftsminister Peter Altmaier den Parteitagsbeschluss in einer Fernsehsendung relativierte, wies Röttgen den Merkel-Vertrauten sofort via Twitter zurecht. Das sei der Klarheit wegen nötig gewesen, findet Röttgen.

Das war eine der Gelegenheiten, bei denen man die neue Kraft Röttgens erleben konnte. Auch Friedrich Merz und Roland Koch, die alten Andenpakt-Recken, bekamen sie zu spüren. Als die beiden die Arbeit der Bundesregierung öffentlich in harschen Worten kritisierten, reichte es Röttgen. Er formulierte eine kurze Erklärung, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. "Ohne jeden Zweifel" müsse die CDU ihren Kurs der inhaltlichen Erneuerung "entschlossener und grundlegender angehen", stand da. "Die vorgebrachten Attacken" seien aber "maßlos in Stil und Inhalt" und "extrem schädlich" für die CDU. Fast 30 Bundestagsabgeordnete unterschrieben die Erklärung.

"Nach den Äußerungen von Merz und Koch fand ich, jetzt müssen doch auch mal die heutigen Abgeordneten sagen, wie sie finden, dass es sein müsste", sagt Röttgen dazu. "Ich wollte nicht, dass nur Koch erklärt, wie die Zukunft aussehen soll." Spricht so jemand, der glaubt, dass seine Zeit vorbei ist? Eher nicht.

Was Röttgen umtreibt, hat er in seiner jüngsten Rede im Bundestag klargemacht. In einer Zeit der Umbrüche erwarteten und brauchten die Bürger "Orientierung, damit sie Vertrauen haben können, dass wir das schaffen", sagte er. Diese Orientierung könne man aber nicht geben, "wenn wir nur reagieren, wenn wir hinterherlaufen". Es brauche "Gestaltungs- und Handlungswillen". Röttgen nannte Merkel zwar nicht beim Namen. Und es ging auch nicht um die Arbeit der Bundesregierung generell, sondern nur um die China-Politik. Aber diese Passage beschreibt ziemlich genau, was Röttgen an der Kanzlerin stört. Die New York Times zitierte ihn Anfang November sogar mit den Worten, Deutschland sei in der Europapolitik ein "Totalausfall". Die Kanzlerin wisse alles, tue aber nichts.

Merkel und Röttgen - das ist ohnehin ein spezielles Verhältnis. Die Kanzlerin war ja an dem Absturz beteiligt, von dem sich Röttgen gerade zu erholen versucht.

Anfang 2012 ist Röttgen Bundesumweltminister, nordrhein-westfälischer CDU-Chef und einer der Stellvertreter Merkels im Bundesvorsitz. Neben Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière gilt er als möglicher Kandidat für eine Nachfolge der Kanzlerin - ein klarer Analytiker und exzellenter Redner, der auch noch gut aussieht. In den Porträts über ihn kann man damals lesen, er sei der George Clooney vom Rhein. Doch dann folgt der Absturz. In Nordrhein-Westfalen gibt es im Mai 2012 Neuwahlen. Röttgen ist Spitzenkandidat - kann sich aber nicht zu der Zusage durchringen, unabhängig vom Wahlausgang vom Bund ins Land zu wechseln. Die CDU stürzt ab. Noch am Wahlabend tritt Röttgen als Landesvorsitzender zurück. Wenige Tage später ist er auch sein Amt als Minister los - auf Bitten der Kanzlerin wird er vom Bundespräsidenten entlassen. Im Dezember verliert er auch sein Amt als CDU-Vize. Röttgen ist auf einmal ganz unten.

Mit der Außenpolitik habe er sich "eine neue Welt erschlossen, die mich fasziniert", sagt er

"Die Umstände meines Ausscheidens waren unschön", sagt er heute. Nach seinem Hinauswurf als Minister sei "das Verhältnis zur Kanzlerin schon ein bisschen stumm geworden, es gab längere Zeit keinen größeren Kontakt". Aber es sei nicht seine Natur, "dass ich mich immer gräme", er "rechne nicht jeden Tag, wer hat mir mal bei einer Gelegenheit etwas angetan". Peter Ramsauer merkt man bis heute an, dass er es nicht verwunden hat, dass er 2013 als Verkehrsminister aufhören musste - so will Röttgen nicht wahrgenommen werden. Und so sei auch sein Verhältnis zur Kanzlerin inzwischen wieder in Ordnung, sagt er. "Irgendwann ergibt sich das, dass man wieder spricht - man kann ja nicht immer in der Vergangenheit stehen bleiben." Nachdem er 2014 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses geworden sei, hätten Merkel und er "schon immer wieder vertraulich über Dinge gesprochen".

Trotzdem scheint klar zu sein, dass der 54-Jährige unter Merkel nichts mehr wird. Aber die Kanzlerin ist ja spätestens Ende 2021 in Rente. Und Röttgens Verhältnis zur neuen CDU-Chefin ist nicht vorbelastet. "Annegret Kramp-Karrenbauer habe ich während ihrer Monate im Bundestag 1998 kennengelernt, wir haben im Plenum nebeneinander gesessen und duzen uns aus der Zeit", sagt Röttgen.

Aber was will er überhaupt werden? "Durch mein unfreiwilliges Ausscheiden als Umweltminister und das Betreten der Außenpolitik habe ich mir eine neue Welt erschlossen, die mich fasziniert", sagt er. "Ich habe viel gelesen, bin viel gereist, habe viel nachgedacht - wenn ich in diesem Bereich noch mal operativer werden könnte, das wäre schon schön." Übersetzt heißt das, dass ihn das Außenministerium schon reizen würde. Doch einen Außenminister hat die CDU schon seit 1966 nicht mehr stellen dürfen.

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