No-Spy-Abkommen:Wie Washington der Mut verließ

President Obama delivers remarks on the Affordable Care Act.

Glücklich sieht er nicht gerade aus - Barack Obama während einer Pressekonferenz zu seiner Gesundheitspolitik.

(Foto: dpa)

Amerikanischer und deutscher Auslandsgeheimdienst waren sich so gut wie einig über ein No-Spy-Abkommen. Doch dann stieg die US-Regierung auf die Bremse. Ein Rückblick auf Verhandlungen, die zunächst optimistisch starteten und schließlich immer zäher wurden.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Die Fußnote entstammt zwar, wie der Historiker Götz Aly herausfand, der "mittelalterlichen Marginalistik", doch gehöre sie "in ihrer neuzeitlichen Form zum nationalen Kulturgut der schon immer etwas zwanghaften Deutschen". Und sein amerikanischer Kollege Anthony Grafton hat in dem epochalen Werk "Die tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote" das ganze Elend zusammengefasst.

Wenn also deutsche Verwaltungsjuristen mit dem Abfassen von Fußnoten beginnen, wird es ernst. Da wird was draus. Davon musste man bislang ausgehen.

Bei den Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen mit den USA hatten sich Spezialisten schon mit den Fußnoten einer geplanten Übereinkunft beschäftigt. Das war ein bisschen voreilig. Was mal in einem Dokument mit Anhängen akribisch geregelt werden sollte - ein unter Partnern eigentlich selbstverständlicher Verzicht auf Bespitzelung des anderen -, wird wohl nie unterschriftsreif werden. Die amerikanische Regierung zieht offenbar nicht mit.

Dass die Bundesregierung früher zuversichtlich war, das Abkommen werde zustande kommen, lässt sich einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage der SPD entnehmen, die aus dem vergangenen August stammt: "Auf Vorschlag der NSA ist es geplant, eine Vereinbarung zu schließen, deren Zusicherungen mündlich bereits mit der US-Seite verabredet worden sind."

Damals verhandelten nur der Bundesnachrichtendienst und der amerikanische Militärgeheimdienst NSA. Der deutsche Auslandsgeheimdienst hatte einen dreiseitigen Forderungskatalog mitgebracht. Alle Punkte in dem Papier waren zuvor mit dem damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla abgesprochen worden, um "ein gegenseitiges Ausspähen grundsätzlich zu untersagen".

Früh wurde über Details gesprochen. BND-Präsident Gerhard Schindler war optimistisch. Sein NSA-Kollege Keith Alexander verwies zwar stets darauf, am Ende müsse das Weiße Haus entscheiden, aber er schien sehr entgegenkommend zu sein.

Die von amerikanischen Geheimen signalisierten Zusicherungen hätten Deutsche weitgehend vor dem Zugriff der NSA geschützt. Übrig wären nur zwei Punkte geblieben: Deutsche im Ausland hätten auch nach einem solchen Abkommen weiter abgehört werden dürfen.

Zudem sollte es eine spezielle Klausel für sogenannte Dschihad-Touristen geben. Islamisten, die etwa aus Syrien oder aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet nach Deutschland reisen würden, wollte die NSA in jedem Fall in Einvernehmen mit den Deutschen abhören dürfen. Da gab es keine Einwände der deutschen Delegation.

Ein Dialog Richtung bergab

Die Diskussionen wurden dann zäher, schwieriger. Bundeskanzlerin Angela Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen reiste gemeinsam mit einem Spitzenbeamten des Kanzleramts ins Weiße Haus. Dort wartete eine große Runde, die von der amerikanischen Sicherheitsberaterin Susan Rice angeführt wurde.

Nach der etwa einstündigen Sitzung twitterte Rice: "Konstruktives Gespräch mit deutschen Kollegen. Der Dialog wird in den kommenden Tagen und Wochen weitergehen, um unsere Zusammenarbeit zu stärken." Sie teilte Heusgen aber mit, die USA würden den deutschen Forderungen "nicht in vollem Umfang nachkommen". Das war noch eine Untertreibung.

Der Dialog ging tatsächlich weiter - Richtung bergab. Das Weiße Haus schickte einen Gegenentwurf. Von enger Zusammenarbeit, technischer Kooperation war die Rede, aber harte Zusagen gab es nicht.

Angst vor Forderungen anderer Staaten

Vielleicht wären die USA zu einer Übereinkunft bereit, auf jede Form der Industriespionage in Deutschland zu verzichten, aber die NSA beteuert ohnehin schon seit Jahren, diese Art der Spionage in Deutschland nicht zu betreiben. Auch eine förmliche Erklärung, auf das Abhören deutscher Bundeskanzler zu verzichten, schien und scheint möglich zu sein. Dies hatte US-Präsident Barack Obama der Kanzlerin bereits telefonisch zugesagt.

Inzwischen scheint die NSA kein ernsthaftes Verhandlungsmandat mehr zu haben und die Regierung in Washington bremst. Sie ist davon überzeugt, dass ein No-Spy-Abkommen öffentlich würde und eine Flut von Forderungen nach sich ziehen würde. Einige Staaten haben bereits angefragt, ob auch sie über ein Abkommen verhandeln könnten. Aus Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden ergibt sich, dass mindestens 35 Spitzenpolitiker von der NSA überwacht wurden.

Zwar ist zu erwarten, dass Obama in dieser Woche Veränderungen bei der NSA ankündigen wird (möglicherweise entscheidet künftig nicht mehr ein Geheimdienst, sondern das Weiße Haus, ob Kanzler und Präsidenten abgehört werden), aber es wird wohl bei politischen Erklärungen bleiben. Ohne Fußnoten, ohne Details.

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