Nikki Haley:Trumps Boxerin bei den Vereinten Nationen

Nikki Haley, Donald Trump

Haley nutzt die UN als Bühne - und ist damit zu einer der wichtigsten Figuren rund um Trump geworden.

(Foto: picture alliance/AP Photo)
  • Im UN-Sicherheitsrat zanken sich die ständigen Mitglieder wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Das ist nicht zuletzt der US-Botschafterin Haley zu verdanken.
  • Haley spielt in der Regierung Trumps eine besondere Rolle. Sie wird sogar schon als seine mögliche Nachfolgerin gehandelt.

Von Christian Zaschke, New York

Twitter gehört zu Nikki Haleys liebsten Werkzeugen. Das hat sie mit dem Präsidenten gemein. Haleys Tweets sind allerdings meist harmlos. Sie berichtet gern, mit welchem Song sie ihren Tag begonnen hat (in dieser Woche: "Wild World" von Cat Stevens). Kürzlich setzte sie die Welt davon in Kenntnis, dass sie just einen Mutter-Sohn-Abend verbracht habe. Während der Präsident per Twitter zur Attacke bläst, flötet Haley - ein freundlicher Mensch, der ein Leben jenseits der Politik hat und genießt. Der Präsident ist ihr Chef, Nikki Haley ist die Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen.

Wenn das mal keinem Kalkül unterliegt. Es ist zu sehen: Ein normaler, nahbarer Mensch, der die einfachen Dinge im Leben zu schätzen weiß. Da ist aber auch die subtile Botschaft, dass hier ein Anti-Trump schreibt, zumindest eine Frau mit einer gewissen Distanz zum Präsidenten. Kürzlich twitterte sie, dass eine freie Presse einer der Grundpfeiler von Demokratie und Menschenrechten sei. Das bezog sich auf Myanmar, ließ sich jedoch ebenso als feiner Kommentar zu den Attacken auf die Medien aus dem Weißen Haus lesen.

Haleys Bühne sind die Vereinten Nationen. Dort vertritt sie die USA, oder besser: Dort hat sie sich eine Plattform geschaffen, wie sie seit Jahren, Jahrzehnten fast schon, nicht mehr zu finden war in New York. Die UN, frisch renoviert, bekommen seit ein paar Monaten auch eine politische Fassadenreinigung verpasst. Eigentlich sollte das asbestverseuchte Gebäude auf der East Side abgerissen werden, aber den ikonografischen Wert des schlanken Turms und der Halle für die Vollversammlung wollte am Ende keiner opfern.

Drohen und drängen

Nikki Haley ist so etwas wie die Baumeisterin dieser repolitisierten UN. Eigentlich musste man davon ausgehen, dass die Trump-Regierung wenig am Hut haben würde mit den Vereinten Nationen. Als Kandidat und später als Präsident ließ Trump keine Gelegenheit ungenutzt, die Staatengemeinschaft zu verspotten. Diplomaten scheint er für seine Form der internationalen Politik nicht brauchen zu können. Aber er braucht einen Ring, eine mit Fernsehkameras bestückte Kampfarena, und er braucht eine Boxerin. Also wurde Nikki Haley nach New York geschickt.

Seit Haley am 25. Januar 2017 als Botschafterin eingeschworen wurde, sind die Vereinten Nationen wieder deutlich mehr ins Blickfeld gerückt. Das hat mit der neuen amerikanischen Außenpolitik zu tun, jener Mischung aus Rückzug und Attacken-Diplomatie, die zum Markenkern eines unberechenbaren Präsidenten zählt. Das hat vor allem aber auch mit den Auftritten der 46 Jahre alten Frau zu tun, die als eine der interessantesten Politikerinnen der USA gilt. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit kündigte sie an, dass nun ein anderer Wind wehe. Alles, was funktioniere, werde besser gemacht. Alles, was nicht funktioniere, müsse repariert werden. Was genau sie damit meinte, ließ sie offen, doch klangen ihre entschlossenen Worte wie eine vage Drohung. Insbesondere im Zusammenhang mit der Ankündigung, dass die USA sich künftig die Namen derer merken würden, die nicht auf der Seite des Landes stünden.

Diese Formulierung hat Haley seither in verschiedenen Varianten wiederholt, besonders deutlich im Dezember, als die Vollversammlung eine Resolution verabschiedete, in der gefordert wurde, die amerikanische Regierung solle die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels zurücknehmen. "Der Präsident wird diese Abstimmung sorgfältig beobachten", schrieb sie in einem warnenden Brief, "und er hat mich aufgefordert, alle Länder zu melden, die gegen uns gestimmt haben." Dennoch stimmten 128 der 193 Mitgliedsstaaten für die Resolution, darunter Deutschland. Im Laufe des vergangenen Jahres hat Haley die Sprache von Donald Trump in die UN getragen, in denen es zuvor vielleicht nicht beschaulich, aber eben doch diplomatisch zuging. Die meisten Länder entsenden Karriere-Diplomaten nach New York, die die Kunst der maßvollen Rede perfektioniert haben. Haley hingegen ist eine Vollblut-Politikerin, die ihre eigenen Ziele verfolgt.

Nachdem Nordkorea im Juli eine Interkontinentalrakete getestet hatte, warnte sie im UN-Sicherheitsrat, dass die USA bereit seien, ihre militärische Macht zu nutzen, falls der Rat nicht strengere Sanktionen beschließe. China und Russland wiesen das zurück. Doch nach intensiven Verhandlungen, in denen sie klarmachte, dass die USA es ernst meinten, beschloss der Sicherheitsrat tatsächlich einstimmig strengere Sanktionen. Das war ein Erfolg für Haley, und der Präsident erteilte das in seinem Kosmos höchste Lob: Er sprach von einem "großartigen Deal". Als Nordkorea im November eine Rakete testete, war Haleys Rhetorik von Trumps nicht mehr zu unterscheiden. Falls es zum Krieg komme, sagte sie, werde das nordkoreanische Regime "komplett zerstört".

Haley hatte sich mit ihrer Nordkorea-Linie bei den klassischen US-Verbündeten großen Respekt erworben. Ihre Brachialart tat der Bedeutung des Sicherheitsrats gut. Dann aber kamen die Jerusalem-Entscheidung und die Drohung Haleys - die Sympathiewerte schmolzen wieder dahin.

Haley spielt in der Regierung Trumps eine besondere Rolle. Obwohl sie sich im Wahlkampf klar gegen ihn positioniert hatte, holte er sie vom Gouverneursposten in South Carolina ins Kabinett. Seitdem wird sie für mehr gehandelt: als Außenministerin, gar als mögliche Nachfolgerin Trumps. Den Vorstellungen sind keine Grenzen gesetzt, ihren Ambitionen offenbar auch nicht. Zunächst nutzt sie die Zeit und schärft ihr Profil als markantestes Gesicht der Trump'schen Außenpolitik. Ihre Bedeutung färbt ab auf das Gremium, das sich so oft blockiert. Inzwischen haben die anderen markanten Spieler im Sicherheitsrat Personal nachgeholt. Nach dem überraschenden Tod des fuchsschlauen russischen Botschafters Witali Tschurkin hält jetzt der verlässliche Wassili Nebensja die Stellung und lässt die USA etwa in Sachen Syrien kühl wissen, sie wollten mit einer Giftgasdebatte im Sicherheitsrat lediglich ablenken von den famosen Fortschritten, die man beim Friedensprozess in Sotschi erziele. China hat für seinen Botschafterplatz den aufsteigenden Stern des Diplomatenkorps nominiert: Ma Zhaoxu, einst Sprecher des Außenministeriums und jetzt entsandt mit der Maßgabe, die Vision eines starken Chinas in einer multipolaren Welt zu vertreten, wie es Präsident Xi Jinping formulierte. Die neue Weltordnung, sie wird wöchentlich im Sicherheitsrat zu betrachten sein.

Haley liebt ihre Bühne, aber sicher ist auch: Sie wird sie für Washington tauschen, wenn die Zeit reif ist. "Die Vereinten Nationen sind für sie eine Durchgangsstation", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, "weshalb alles, was sie dort tut, in erster Linie als Innenpolitik zu verstehen ist. Sie spielt für die Galerie." Entscheidend wird sein, wie gut ihr die Balance gelingt, weiterhin als gewichtige Kraft sichtbar zu bleiben, und zugleich Trump nicht eifersüchtig zu machen. Er mag es nicht, wenn ihm jemand das Rampenlicht stiehlt. Für Haley bleibt das ein steter Gang auf schmalstem Grat. Als sie einmal die Botschafter der im Sicherheitsrat vertretenen Länder zum Lunch ins Weiße Haus brachte, fragte Trump in die Runde: "Und, mögen Sie alle Nikki? Falls nicht, kann sie jederzeit ersetzt werden."

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