Nigeria:Der Pate von Lagos

Bola Tinubu (vorne rechts) feiert mit Anhängern seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl in Nigeria.

Bola Tinubu (vorne rechts) feiert mit Anhängern seinen Sieg bei der Präsidentschaftswahl in Nigeria.

(Foto: Kola Sulaimon /AFP)

Bola Tinubu wird der neue Präsident Nigerias. Er ist seit Jahrzehnten in der Politik - und genau so lange begleiten ihn die Fragen über sein Alter und die Herkunft seines Vermögens.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

In den Wochen und Monaten vor der Wahl in Nigeria wurde der Gang an die Urnen von nicht wenigen Kommentatoren bereits als ein großer Erfolg dargestellt, weil der Wahlkampf die Massen mobilisiert habe. Weil vor allem junge Leute sich wieder eingemischt hätten, anstatt in Apathie zu verfallen angesichts der ganzen Probleme Nigerias, von Terror über Armut bis hin zur Korruption.

Es klang gut, was da so zu lesen war, nur entsprach es nicht der Realität. Etwa 225 Millionen Menschen hat das Land, was es zum bevölkerungsreichsten Afrikas macht, 96 Millionen davon waren am Samstag wahlberechtigt, aber nur 24 Prozent davon gingen dann tatsächlich zur Wahl. Es ist die schlechteste Beteiligung in der Geschichte des Landes, und eine der niedrigsten weltweit.

Das Ergebnis zeigt, was die Bürger von ihren Politikern erwarten: so gut wie nichts. Eines der jüngsten Länder der Welt wird wieder von einem alten Mann regiert.

Seit Jahrzehnten wird diskutiert darüber, was an der Vita des neuen Präsidenten echt ist

Bola Tinubu, 70, ließ sich am Dienstagabend als neuen Präsidenten Nigerias feiern, er bekam 36,6 Prozent der Stimmen, das klingt noch einigermaßen überzeugend. Für ihn gestimmt haben aber nicht einmal zehn Prozent der Wahlberechtigten. Was für eine Legitimität hat ein Staatsoberhaupt, das 90 Prozent nicht wollten?

Tinubu ist das erst einmal ziemlich egal: "Jetzt bin ich an der Reihe", sagte er zu seinen Anhängern. Der Satz war auch sein Wahlkampfslogan, eine Anspielung darauf, dass Tinubu die vergangenen Jahre großen Einfluss auf die Politik des Landes hatte, Karrieren beginnen ließ oder beendete, aber eben selbst nicht in der ersten Reihe stand. Den "Paten von Lagos" nannten sie ihn, seit er dort einmal Gouverneur war, nun ist der Pate Präsident.

Es ist eine Präsidentschaft, die mit vielen Fragezeichen beginnt. Da ist das Alter: 70 Jahre alt will Tinubu sein, nicht selten wirkte er ein gutes Jahrzehnt älter und bei schlechter Gesundheit, was viele an den Vorgänger Muhammadu Buhari, 80, erinnerte. Der schien große Teile seiner zwei Amtszeiten im Tiefschlaf zu verbringen, unterbrochen durch längere Klinikaufenthalte in London, wegen eines Leidens, das Buhari nie publik machte.

So hält es auch Tinubu, seit Jahrzehnten begleiten ihn die Diskussionen, was an seiner Vita echt ist und was nicht. Über seine Ausbildung machte er verschiedene Angaben, den Grundstein für seinen Reichtum will er bei der Steuerprüfungsgesellschaft Deloitte gelegt haben, die jedoch bestreitet, Tinubu jemals angestellt zu haben. Im Jahr 1992 beschuldigte ihn die US-Regierung in einem Gerichtsverfahren, Erlöse aus dem Heroinhandel gewaschen zu haben, woraufhin er einen Vergleich abschloss und 460 000 Dollar zahlte. Woanders wäre das ein Problem, in Nigeria gilt die ganze politische Klasse als korrupt und kriminell.

Der wichtigste Konkurrent hatte auf dem Land keine Chance

Die Kandidatur von Peter Obi, 61, hatte vielen in Nigeria Hoffnung gemacht, dass es einem Bruch mit der alten Elite geben könnte. Dieser stand Obi als langjähriger Gouverneur zwar auch nicht ganz fern, aber vor allem junge und urbane Wähler sahen in ihm jemanden, der ehrlich und offen Politik macht, der nicht nur an seinen eigenen Vorteil denkt.

Manche Umfragen sahen ihn sogar vorne, wobei allerdings ein hoher Anteil der Befragten die eigene Präferenz nicht verraten wollte. Letztlich kam Obi nun auf 25,4 Prozent der Stimmen, er gewann sogar die Metropole Lagos. Auf dem Land hatte seine kleine Labour Party aber keine Chance gegen die gut organisierten Großparteien PDP und APC, die Nigerias Politik seit Jahrzehnten bestimmen.

Das Ergebnis aber zeigt, dass ein Wechsel bei der nächsten Wahl möglich sein könnte, wenn es Obi gelingt, seine Partei auch in allen jenen Regionen zu verankern, wo sie bisher kaum über Infrastruktur verfügt.

Obi aber möchte gar nicht so lange warten, er erkennt das Wahlergebnis nicht an, fordert genauso wie der mit 29 Prozent unterlegene Atiku Abubakar von der PDP eine Neuwahl. Beide Verlierer sprechen von groben Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung, die elektronisch hochgeladenen Resultate von vielen Bezirken hätten nicht den tatsächlichen Stimmen vor Ort entsprochen.

Der Christlichen Vereinigung Nigerias missfällt, dass Präsident und Vizepräsident Muslime sind

Die Christliche Vereinigung Nigerias (CAN), Dachverband der christlichen Kirchen, erklärte: "Die Wahlbehörde ist trotz vieler Zusicherungen bezüglich ihrer Vorbereitung hinter den Erwartungen der Massen zurückgeblieben." Den christlichen Kirchen missfällt zudem, dass Tinubu wie auch sein künftiger Vizepräsident beide Muslime sind.

Das hat es in der Geschichte Nigerias noch nie gegeben, Christen und Muslime stellen jeweils etwa die Hälfte der Bevölkerung, es war lange ungeschriebenes Gesetz, dass die Präsidentschaft zwischen dem eher muslimischen Norden und dem christlichen Süden rotiert, zumindest aber, dass der Vize einer anderen Religion angehört als der Präsident. Nun folgen dem Muslim Buhari gleich zwei Muslime an der Spitze. Für Tinubu auch kein Problem. Er rief die Opposition zur Zusammenarbeit auf, sie sei der Gegner, aber kein Feind.

Viele in Nigeria warten nun gespannt, welche seiner Wahlkampfversprechen Tinubu einhalten wird. Heikel ist besonders seine Ankündigung, die Subventionen auf Benzin zu streichen, oder zumindest zu verringern.

Nigeria gehört zwar zu den größten Ölförderern der Welt, besitzt aber kaum eigene Raffinerien. Benzin muss also teuer importiert werden, die Subventionen betragen etwa 13 Milliarden Dollar im Jahr, etwa zwei Drittel der Einnahmen aus dem Öl. Tinubu will die Einnahmen in Bildung und das Gesundheitswesen investieren. Keine schlechte Entscheidung. Viele Freunde wird er sich damit aber nicht machen. Ähnliche Versuche hatten in der Vergangenheit stets zu Unruhen geführt.

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