Süddeutsche Zeitung

Nigeria:Internationale Teams suchen nach entführten Mädchen

Möglicherweise neue Hoffnung für die mehr als 200 entführten Mädchen: Experten aus den USA und Großbritannien sind in Nigeria eingetroffen, um bei der Suche nach den Schülerinnen zu helfen. Weltweit bieten nun Organisationen und Regierungen Unterstützung an.

Drei Wochen nach der Entführung von mehr als 200 Schülerinnen durch Islamisten sind in Nigeria erste Hilfsteams aus den USA und Großbritannien eingetroffen, wie die Behörden der beiden Länder mitteilten. Sie sollen demnach bei der Suche nach den Mädchen und beim Kampf gegen die Sekte Boko Haram helfen, die sich zu der Verschleppung bekannt hatte.

Von Seiten der US-Behörden hieß es, dass Militärexperten, Fachleute aus dem Justizministerium und vom FBI zu der nach Nigeria entsandten Gruppe gehörten. Das britische Außenministerium sprach von Diplomaten und Spezialisten des Verteidigungsministeriums. Diese würden sich auch für "langfristige Anti-Terror-Lösungen einsetzen, um derartige Angriffe zu verhindern und Boko Haram zu besiegen".

Am 14. April hatten Boko-Haram-Kämpfer eine Schule in der Stadt Chibok im nordöstlichen Bundesstaat Borno überfallen und 273 Mädchen verschleppt. Nur einem kleinen Teil der Schülerinnen gelang die Flucht. In einem Bekennervideo kündigte Sektenführer Abubakar Mohammed Shekau die Versklavung und Zwangsverheiratung der Schülerinnen an.

US-Außenminister John Kerry appellierte an die internationale Gemeinschaft, zur Rettung der über 200 entführten Mädchen in Nigeria beizutragen. "Die gesamte Welt sollte diese Schandtat nicht nur verdammen, sondern alles nur Mögliche tun, um Nigeria in den nächsten Tagen zu helfen", sagte Kerry.

Bundesregierung "entsetzt"

Neben den USA und Großbritannien boten weitere Länder Nigeria Hilfe an, darunter Frankreich, China und Kanada. Die Regierung des westafrikanischen Landes wirkt völlig machtlos im Kampf gegen die Extremisten, die im Norden Nigerias einen Gottesstaat errichten wollen und immer wieder blutige Anschläge verüben.

Auch die Bundesregierung stellte sich hinter die vor einigen Tagen lancierte weltweite Kampagne "Bring Back Our Girls" ("Bringt unsere Mädchen zurück"). Die Regierung sei "entsetzt über das Ausmaß des Terrors durch die Terrororganisation Boko Haram, der Nigeria derzeit heimsucht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es handele sich um "barbarische Akte jenseits jeglicher Moralvorstellungen, die wir aufs Allerschärfste verurteilen".

Das Weltwirtschaftsforum will nun die Sicherheit der Schulen in Nigeria mit zehn Millionen Dollar (7,2 Millionen Euro) unterstützen. Das kündigte Geschäftsführer Philipp Rösler zum Abschluss einer Tagung in der nigerianischen Hauptstadt Abuja an, wie der Berliner Kurier berichtete. Ziel sei ein sicheres Lernumfeld für junge Menschen. Das Projekt sei spontan während der Konferenz entstanden und werde von mehreren Unternehmern finanziert.

Auch die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Fatou Bensouda, meldete sich zu Wort. Sie sagte, die Entführung der Mädchern könnte unter die Zuständigkeit des IStGH fallen. Das "beunruhigende Phänomen, dass in Konfliktzeiten Menschen weiblichen Geschlechts zur Zielscheibe werden, wird nicht toleriert und muss aufhören", fügte sie hinzu. Es dürfe keine Möglichkeit ausgelassen werden, die Verantwortlichen für solche Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen, sei es in Nigeria oder vor dem IStGH. Schon 2012 war das Tribunal bei einer Vorprüfung zu dem Schluss gekommen, dass Boko Haram seit 2009 Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht.

Tödlicher Anschlag bei Beerdigung

Während die Weltöffentlichkeit entsetzt auf die Vorfälle in Nigeria reagiert, machen die Extremisten mit ihren Anschlägen weiter. Am Donnerstagabend wurden bei der Sprengung einer Brücke im Norden des Landes 30 Menschen getötet. Der Bombenanschlag ereignete sich in dem Dorf Gamboru Ngala an der Grenze zu Kamerun, berichtete die Zeitung Punch.

In demselben Dorf hatte mutmaßlich Boko Haram erst vor wenigen Tagen mehr als 300 Menschen ermordet und auch weitere elf Mädchen entführt. Die Einwohner begruben am Donnerstag offenbar gerade die Hunderten Getöteten, als die Extremisten erneut zuschlugen. Auf der Brücke befanden sich nigerianische und kamerunische Grenzposten.

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