Nigeria:Hilflos gegen den Terror

A girl walks past a destroyed mosque in the town of Mararaba, after the Nigerian military recaptured it from Boko Haram, in Adamawa state

Die Stadt Mararaba im Zentrum Nigerias ist im Mai aus den Händen von Boko Haram befreit worden.

(Foto: Akintunde Akinleye/Reuters)

Der nigerianische Präsident hat beherzte Schritte gegen die Boko-Haram-Miliz eingeleitet. Doch die überzieht das Land weiter mit Gewalt.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Es war eines der zentralen Wahlversprechen von Muhammadu Buhari: Bis Jahresende werde man die Terrorsekte Boko Haram, die vom Nordosten Nigerias aus die gesamte Region terrorisiert, besiegen. So hatte es der neu gewählte Präsident angekündigt, als er im Mai sein Amt antrat; sein wichtigstes Vorhaben neben dem Kampf gegen die Korruption, wobei beides in Nigeria eng miteinander verstrickt ist. Der Frust der Bevölkerung darüber, dass das mit milliardenschweren Budgets ausgestattete Militär weitgehend hilflos zusah, wie eine islamistische Terrororganisation ein Gebiet von der Größe Belgiens unter seine Kontrolle bringen konnte, hatte dem 72-jährigen Ex-Militärdiktator zu einem unerwartet klaren Wahlsieg verholfen. Doch die Hoffnung auf eine schnelle Lösung des Problems schwindet zusehends. Seit 2009 hat Boko Haram in Nigeria mindestens 14 000 Menschen getötet - fast ein Zehntel davon seit Buharis Amtsantritt.

Dabei hat der neue Präsident durchaus einige entschlossene Schritte eingeleitet: Als eine seiner ersten Amtshandlungen verlegte er das Kommandozentrum für die Operationen gegen Boko Haram aus der Hauptstadt Abuja näher ans Kampfgebiet, nach Maiduguri, Hauptstadt des Bundesstaates Borno und Gründungsort der Terrorsekte. Er wechselte außerdem die notorisch korrupte Armeeführung komplett aus.

Trotzdem gelingt es der mit dem Islamischen Staat (IS) verbündeten Organisation, die Region weiter mit Terrorattacken zu überziehen. Vergangene Woche starben mindestens 52 Menschen bei einer Anschlagsserie; etwa als Selbstmordattentäterinnen sich am Stadtrand von Maiduguri in die Luft sprengten. In der Woche davor hatten Kämpfer der Miliz eine Kaserne im Bundesstaat Yobe attackiert, bei den Gefechten starben mehr als 100 Menschen.

Ein General wird verurteilt, weil seine Soldaten vor Kämpfern der Boko Haram geflohen sind

Von ihren Verstecken in den dichten Waldgebieten im Nordosten des Landes trägt die Organisation zudem ihren Terrorkrieg weiter in die Nachbarstaaten Kamerun, Tschad und Niger: In der nigrischen Region Diffa etwa hat die Regierung einen - zunächst auf 15 Tage befristeten - Ausnahmezustand verhängt, nachdem Boko Haram dort in den vergangenen Wochen mehrere Dutzend Menschen getötet hatte.

In der Region halten sich zur Zeit mehr als 150 000 Menschen aus Nigeria auf, die vor der dortigen Terrorgefahr geflohen sind. Alle Bemühungen der jeweiligen Staaten, durch koordinierte Militäraktionen die Bedrohung einzudämmen, haben sich als zu schwach erwiesen. Nun greifen die USA, die etwa das nigrische Militär schon seit Längerem im Anti-Terror-Kampf unterstützen, direkt in den Konflikt ein: 300 Soldaten entsenden die Amerikaner jetzt nach Kamerun, um die dortige Armee im Kampf gegen Boko Haram zu unterstützen. Ein 90 Mann starkes Vorauskommando ist bereits vergangene Woche in dem Land eingetroffen, wie Präsident Barack Obama vor dem Kongress mitteilte. Die Truppe werde demnach in Kamerun bleiben, "bis ihre Unterstützung nicht mehr benötigt wird", und sich vor allem um "Aufklärung, Sicherung und Luftüberwachung" kümmern.

Die Ergebnisse ihrer Späharbeit werde man allen Ländern zur Verfügung stellen, die an einer derzeit im Aufbau befindlichen multinationalen Eingreiftruppe beteiligt sind: Kamerun, Nigeria, Niger, Tschad und Benin. Unter anderem mit Predator-Drohnen sollen die Bewegungen der Terrorkämpfer verfolgt werden. Die US-Soldaten werden den offiziellen Angaben zufolge nur zur eigenen Verteidigung bewaffnet sein.

Unterdessen hat ein nigerianisches Militärgericht einen General zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er bei einer Boko-Haram-Attacke im Januar seine Pflichten vernachlässigt haben soll. Mehrere Hundert Menschen starben damals bei einer Offensive der Islamisten auf die Stadt Baga. Die Soldaten unter der Führung von General Enitan Ransome-Kuti verließen fluchtartig den Kampfplatz, wie es auch bei Zusammenstößen der Armee mit Boko-Haram-Kämpfern früher schon immer wieder geschehen war. Dabei überließen die Soldaten den Angreifern mehrere gepanzerte Fahrzeuge, Pick-ups, Granatwerfer und Maschinengewehre. Das Urteil, gegen das der General Berufung angekündigt hat, soll nach Einschätzung von Beobachtern auch dazu dienen, die Disziplin in der von Korruption geschwächten Truppe wieder aufzubauen.

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