Süddeutsche Zeitung

Niedersächsischer Landwirtschaftsminister Meyer:Der grüne Bauern-Schmeichler

Er steht für eine sanfte Landwirtschaft - beherrscht aber auch den Umgang mit den Bauern: Niedersachsens künftiger Landwirtschaftsminister Christian Meyer bringt zwar Funktionäre gegen sich auf, doch seine Kritik an der Massentierhaltung kommt mittlerweile auch bei vielen Landwirten gut an.

Von Jens Schneider

Was soll Christian Meyer denn auch sonst sagen? Etwa: Ich werde den Bauern zeigen, wo der grüne Hammer hängt! Es ist gut, wenn sie Angst vor mir haben. Holla, hier kommt der Bauernschreck!

Macht er natürlich nicht, der 37 Jahre alte künftige grüne Landwirtschaftsminister von Niedersachsen. Er kennt die Landwirtschaft in Deutschlands Agrarland Nummer eins, aus dem zum Beispiel gut die Hälfte des deutschen Geflügels kommt, sehr gut. Seit Jahren kämpft der junge Sozialwirt aus Holzminden im Landtag gegen eine schwarz-gelbe Landwirtschaftspolitik, die industrielle Mastanlagen mit Millionen förderte und sich nicht traute, strenge Regeln zugunsten einer artgerechteren Tierhaltung durchzusetzen.

Meyer hat in scharfen Reden den aktuellen Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) attackiert, weil nicht genug gegen die Überdüngung des Landes durch Gülle und Kot unternommen wurde, die das Grundwasser in weiten Landstrichen arg belastet. Er nannte Lindemann und Umweltminister Stefan Birkner (FDP) "Schutzpatrone der industriellen Gülle-Lobby", machte sie für überbordende Tierbestände in der Massentierhaltung und unzureichende Kontrollen verantwortlich. Er beklagte - wie Gewerkschafter und Pastoren - menschenunwürdige Zustände, unter denen auf subventionierten Schlachthöfen Arbeiter aus dem Ausland für Billiglöhne Schweine zerkleinerten. Er nannte es ein "Netzwerk der Ausbeutung von Mensch und Tier", Niedersachsen sei der Niedriglohnschlachthof Europas geworden.

Meyer will kein Bauernschreck sein

Kein anderer Politiker im Land sprach so deutlich aus, was viele Städter, aber auch Bürger in den Dörfern empörte. Für die Grünen ist es nun geradezu zwangsläufig, dass Meyer nun die von Rot-Grün versprochene Agrarwende umsetzen soll. Die noch amtierende Regierung freilich warnt, als wäre er eine Gefahr für den Landfrieden. FDP-Chef Birkner nannte ihn einen "Bauernschreck". Ein FDP-Bundestagsabgeordneter aus dem Land soll die Sozialdemokraten gebeten haben, den Posten nicht den Grünen zu geben.

Meyer aber will kein Bauernschreck sein. Das sei er schon bisher nicht gewesen, sagt er. Anders als einst die grüne Bundesministerin Renate Künast sei er nie von Bauern ausgebuht worden. "Das Verhältnis ist deutlich angenehmer als behauptet", versichert er und erzählt von Gesprächen auch mit Bauern des kämpferischen "Landvolks". So heißt der mächtige Bauernverband in Niedersachsen. Er zitiert eine Lokalzeitung, die schrieb, der Meyer habe die Bauern umschmeichelt.

Als Minister wolle er "auf Dialog und Anreize setzen, nicht so sehr auf das Ordnungsrecht". Es gehe darum, wieder "Frieden auf dem Land herzustellen". Das Image der Landwirtschaft sei schlecht, weil nur ein kleiner, aber bisher übermächtiger Teil der Landwirte Massenproduktion betreibe. Wenn er darüber spreche, würden viele Bauern hellhörig, sagt Meyer. Viele wären gern bereit, ihre Höfe umzustellen, etwa auf niedrigere Stallgrößen, wenn das angemessen honoriert würde.

Meyer kennt die Landwirtschaft so gut, dass er auch Skeptiker im Gespräch beeindrucken kann, weil er Nöte anspricht, die ihr Leben bestimmen. Dass seit 2003 30.000 Arbeitsplätze verloren gingen, vor allem durch das Sterben von kleinen und mittleren Höfen. Dass Bauern unter extremem Druck produzieren müssen, bei niedrigen Preisen für Milch oder Eier, die ihnen kaum ein Auskommen bieten.

Bäuerliche Familienbetriebe sollen gestärkt werden

Spätestens mit dem Wahlergebnis hat sich gezeigt, dass einer wie Meyer mit seiner offenen Kritik an den Zuständen zwar manche Funktionäre aufbringt, aber seine Aussagen längst eine verbreitete Grundstimmung auch auf dem Land widerspiegeln. In vielen kleinen Gemeinden haben die Grünen hinzugewonnen, der Machtverlust der CDU ist in Niedersachsen nicht nur mit ihrer Schwäche in den Städten zu erklären. In vielen Dörfern haben sich Bürgerinitiativen gegen große Mastanlagen gegründet. Nicht selten kämpfen örtliche Christdemokraten an der Seite der Grünen, von denen sie ihre Interessen vertreten sehen.

Meyer hat in Göttingen Volkswirtschaftslehre, öffentliches Recht und Politik studiert. Er hat für eine grüne Europaabgeordnete gearbeitet und die Innereien des europäischen Förder-Dschungels kennengelernt. Auch mit Anreizen aus diesen Töpfen sollen nun bäuerliche Familienbetriebe gestärkt werden. Ebenso soll der Bau von Ställen unter seiner Führung weiter gefördert werden, aber nur bis zu einer vertretbaren Größe. Es gebe eine Riesennachfrage nach Bio-Lebensmitteln, sagt er. Er legt Wert darauf, dass seine Instrumente nicht aussehen, als seien es Folterwerkzeuge für Landwirte. Und weiß doch, dass ihm harte Kämpfe bevorstehen.

Als Bauernschreck? Beim Landvolk, einem Verband, der sich auf deftige Töne versteht, gibt man sich erst mal pragmatisch. Präsident Werner Hilse will nichts kommentieren, bevor er nicht mit Meyer sprechen konnte. Der Begriff Bauernschreck, der komme nicht aus Reihen der Bauern, heißt es aus dem Verband. Und nein, man teile die Einschätzung auch nicht.

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SZ vom 12.02.2013/kjan
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