Niedersachsen:Staatskanzlei-Chef weist Vorwurf zurück

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In der angeblichen "SPD-Gehaltsaffäre" ist am Donnerstag im niedersächsischen Landtag der SPD-Politiker Jörg Mielke als Zeuge geladen. (Foto: Michael Matthey/DPA)

Verdient die Büroleiterin von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zu viel? Nein, sagt dessen Vertrauter Jörg Mielke am Donnerstag im Untersuchungsausschuss.

Von Jana Stegemann, Hannover

Kurz vor Weihnachten 2022 klingelte das Handy von Jörg Mielke, dem Chef der niedersächsischen Staatskanzlei. Es meldete sich Stephan Weil, der SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen. Weil sei empört gewesen, sagte Mielke am Donnerstag im Landtag. Darüber, dass die Frau, die er als seine neue Büroleiterin einstellen wollte, seiner Meinung nach nicht genug verdiene. Die damals 32-Jährige hatte der SPD-Politiker Weil über Parteikollegen kennengelernt.

Weil ist seit 2013 Ministerpräsident, die Frau ist seit Februar 2023 seine Büroleiterin, die insgesamt fünfte. Es ist einer der wenigen Jobs in einer Staatskanzlei, die nicht ausgeschrieben werden müssen. Nur wenige Menschen arbeiten so eng mit Ministerpräsidenten zusammen wie deren Büroleiter, das ist in allen Bundesländern so. Jörg Mielke beschreibt die Position als "ein besonderes Näheverhältnis, wo auch Fragen der politischen Übereinstimmung eine Rolle spielen".

So ein Ausschuss gilt als das "schärfste Schwert der Opposition"

Zunächst wurde Weils Wunschkandidatin Ende Februar 2023 in die Entgeltgruppe "E 15" eingruppiert, das entspricht 6301 Euro Grundgehalt brutto pro Monat. Seit Ende 2023 wird sie nach Besoldungsstufe "B 2" bezahlt, rückwirkend zum Ende ihrer Probezeit im August. Das sind 8187 Euro - ein Gehaltssprung von 1886 Euro. Verbeamtet ist die Büroleiterin nicht.

Die Opposition im niedersächsischen Landtag wirft Weil vor, die langjährige Praxis der Bezahlung in der Staatskanzlei für eine enge Mitarbeiterin geändert zu haben. Die CDU befürchtete eine "SPD-Gehaltsaffäre" und setzte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) ein. Seitdem haben sich knapp 40 Politikerinnen und Politiker, Anwälte, Gutachter und Mitarbeitende regelmäßig mit dem Fall der heute 33-jährigen SPD-Politikerin zu beschäftigen. Ein PUA gilt als das "schärfste Schwert der Opposition".

Auch in anderen Bundesländern gab es schon aufsehenerregende Untersuchungsausschüsse: In Nordrhein-Westfalen wurde beispielsweise versucht, das Missbrauchsskandal von Lügde und die Flutkatastrophe aus dem Sommer 2021 aufzuarbeiten. Lügde gilt als einer der größten Missbrauchsskandale der Bundesrepublik, das Jahrhunderthochwasser von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen war eine der größten Naturkatastrophen der deutschen Geschichte. In Niedersachsen geht es hingegen darum, ob die Büroleiterin eines Ministerpräsidenten zu viel verdient. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass Weil systematisch auch anderen Mitarbeitenden zu viel bezahlen könnte.

Weil und Mielke haben sich für das höhere Gehalt ins Zeug gelegt

In der dritten Sitzung des Ausschusses ist am Donnerstagmorgen nun also Jörg Mielke, der höchste Beamte der Staatskanzlei, als Zeuge geladen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Sebastian Lechner hatte wenige Tage zuvor gefordert, Weil müsse Mielke wegen der Causa entlassen. Interne Unterlagen zeigen, dass Weil und Mielke viel Energie aufgewendet und massiven Druck ausgeübt haben, um das Gehalt der neuen Büroleiterin durchzusetzen - gegen die Empfehlung eigener Fachbeamten in Finanzministerium und Staatskanzlei, die alle keine rechtliche Grundlage für die Gehaltserhöhung sahen.

Ein von der CDU beauftragter Verwaltungsrechtler kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, das Hochstufen der Büroleiterin sei rechtswidrig gewesen. Der Verfasser empfiehlt zudem ein Disziplinarverfahren gegen Mielke, der auch die langjährigen Vorschriften für die Bezahlung von Quereinsteigern geändert hatte.

Weils neue Büroleiterin hatte ihren Masterabschluss in Steuerrecht auf dem sogenannten zweiten Bildungsweg erlangt. Die SPD-Nachwuchspolitikerin aus dem Wahlkreis des SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil war Ortsbürgermeisterin des Ortes Buchholz an der Aller, persönliche Referentin des Hamburger SPD-Finanzsenators Andreas Dressel und ein Jahr für den Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss tätig.

Mielke ließ sich am Donnerstag als Zeuge nicht aus der Ruhe bringen - auch als ihm mehrmals die gleichen Fragen gestellt werden. Auf den Presseplätzen ist er akustisch die erste halbe Stunde nur schwer zu verstehen, aber so viel wird deutlich: Er weist alle Vorwürfe zurück, die Gehaltserhöhung der Büroleiterin sei angemessen, "Fehler sind keine gemacht worden". Außerdem: Angesichts von Fachkräftemangel und der Konkurrenz zur Privatwirtschaft sei die vorherige Praxis der Bezahlung "ein Attraktivitätshemmnis" gewesen, daher sei sie geändert worden, es handele sich um eine "allgemeine Regelung für Quereinsteiger". Wie viele von denen überhaupt noch Interesse an einem Job in der Staatskanzlei in Hannover haben, ist fraglich.

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