Niedersachsen: Schuldenplan:Die Sache VW läuft und läuft und läuft

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McAllister hat von Vorgänger Wulff vor allem eines geerbt: Schulden. Um die zu tilgen, will Niedersachsens Ministerpräsident nun VW-Anteile des Landes verkaufen - ohne in Wolfsburg an Einfluss zu verlieren.

Jens Schneider

Für die Konsolidierung seines hoch verschuldeten Landes erwägt Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) auch den Verkauf von Anteilen am Autobauer Volkswagen. Der Regierungschef stellte am Montag, einen Monat nach Übernahme der Regierungsgeschäfte in Hannover, den Entwurf für den Landeshaushalt seiner schwarz-gelben Regierung vor. McAllister hatte die Amtsgeschäfte in Hannover im Juli von Christian Wulff, dem neuen Bundespräsidenten, übernommen.

20,01 Prozent der VW-Aktien liegen in den Händen des Landes Niedersachsens  - noch. (Foto: dpa)

Dabei soll die Deckungslücke von 1,8 Milliarden Euro im Haushalt durch den Verkauf von Landesbesitz, Einsparungen und Mehreinnahmen geschlossen werden. Allein durch Veräußerungen sollen im kommenden Jahr 300 Millionen Euro erzielt werden. Allerdings konnten McAllister und sein Finanzminister Hartmut Möllring noch nicht erklären, welcher Landesbesitz genau für diese Einnahmen verkauft werden soll. McAllister selbst sprach von "reiner Spekulation" über die Details dieser Verkäufe.

Der Regierungschef deutete lediglich an, dass erwogen wird, Anteile des Landes an Volkswagen zu veräußern, falls sich, wie von der Landesregierung erwartet, der Landesanteil an diesem Unternehmen durch die geplante Fusion von VW mit Porsche im kommenden Jahr erhöhen sollte. Die Veräußerung dieser Anteile wäre dabei an Bedingungen geknüpft. Ausdrücklich betonte der Regierungschef, dass das Land auf keinen Fall seine Sperrminorität bei Volkswagen aufgeben werde und dementsprechend auch die derzeitige Höhe der Anteile auf jeden Fall behalten wolle.

Auf Nachfragen zu diesen Plänen antwortete McAllister lediglich, dass das Land "bis Silvester 2011 noch anderthalb Jahre Zeit habe" zu entscheiden, welches Landesvermögen verkauft werden solle. Es sei deshalb im Entwurf für den Landeshaushalt lediglich "allgemein die Rede von Vermögensäußerungen". Die Veräußerungsgewinne sollen demnach durch andere Verkäufe erzielt werden, falls die Pläne im Zusammenhang mit der Volkswagen-Porsche-Fusion nicht aufgehen. Nach Angaben der Regierung hält das Land derzeit 59 Millionen Aktien an Volkswagen. Ein Prozent der Anteile seien derzeit etwa 215 Millionen Euro wert.

Die Opposition kritisierte diese Pläne und die Vorstellung des Haushalts als "Spekulations-Veranstaltung", wie der Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel sagte. Die Landesregierung kündige große Vermögensverkäufe an, "sagt aber nicht wo". Das verstoße gegen das Prinzip der Haushaltsklarheit - und Wahrheit.

Die schwarz-gelbe Landesregierung in Hannover steht angesichts einbrechender Einnahmen unter enormem Spardruck. Die große Haushaltslücke könne nicht allein durch Einsparungen erzielt werden, sagte McAllister bei der Vorstellung des Haushalts. Deshalb müsse die Landesregierung weiteren Landesbesitz veräußern. Bei einem Gesamthaushalt von 25 Milliarden Euro soll die Neuverschuldung mit Blick auf die von 2020 an geltende Schuldenbremse in Niedersachsen in diesem Jahr um 350 Millionen Euro auf etwa 1,95 Milliarden reduziert werden.

McAllister nannte seine Haushaltspolitik einen "Konsolidierungskurs" und kritisierte aus diesem Anlass heftig die Politik der schwarz-roten Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen. Seine Regierung habe die Nettokreditaufnahme gesenkt. "Was die in Nordrhein-Westfalen machen, halte ich für unverantwortlich", sagte McAllister.

Der Haushalt sieht neben den Landesverkäufen auch erhebliche Einschnitte vor. So soll im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung die Zahl der Beschäftigten weiter verringert werden. So werde "die Verwaltungsstruktur um weitere 1900 Stellen gestrafft", kündigt McAllister an. Zur Stärkung der Einnahmen soll die Grunderwerbsteuer um einen Prozentpunkt auf 4,5 Prozent erhöht werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Der Schatz der Niedersachsen" - die Details zu NIedersachsens VW-Beteiligung.

Es ist die kostbarste Beteiligung des Landes an einer Firma: 20,01 Prozent hält Niedersachsen am VW-Konzern. An der Börse ist dieser Anteil 4,3 Milliarden Euro wert. Angesichts der Haushaltslöcher denken Politiker nun über Anteilsverkäufe nach: Eine Veräußerung von Vermögen "könnte auch Volkswagen betreffen", sagt Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU).

Momentan aber braucht das Land jede Aktie von Europas größtem Autokonzern: Mit dem Anteil von 20,01 Prozent der Stammaktien erreicht es punktgenau die Sperrminorität, mit der es Beschlüsse untersagen darf. So will es das VW-Gesetz, das Niedersachsen eine besondere Mitsprache einräumt.

Die Regierung in Hannover rechnet aber damit, dass sich ihr VW-Anteil ohne eigenes Zutun auf mehr als 22 Prozent erhöhen könnte - und damit einige Aktien überflüssig werden: Grund dafür ist die 2011 geplante Fusion von Volkswagen und Porsche. Bei dieser Verschmelzung wird Volkswagen nach einem komplizierten Schema neu bewertet. Dadurch verschieben sich die Stimmrechte der Eigner. "Um wie viel der Anteil des Landes Niedersachsen präzise steigt, lässt sich noch nicht sagen", so ein VW-Sprecher.

Die Sperrminorität und die Macht über die Konzernzentrale in Wolfsburg will Regierungschef McAllister nicht aufgeben. "Niedersachsen steht zu seiner Verantwortung für Volkswagen", betont er.

Bis Mitte 1960 gehörte Volkswagen dem Staat. Als der Konzern privatisiert wurde, verankerte das Land sein Vetorecht im VW-Gesetz und schuf einen Sonderstatus: Laut Aktiengesetz dürfen Eigner sonst erst Beschlüsse blockieren, wenn sie 25 Prozent der Anteile halten.

Die Europäische Kommission möchte das VW-Gesetz kippen, doch Konzern und Land haben vorgesorgt: Sie haben die Sperrminorität in die VW-Satzung aufgenommen. Das Land darf danach auch zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat schicken, solange es mindestens 15 Prozent der Stammaktien hält. Die Mehrheit von Volkswagen gehört momentan den Familien Porsche und Piëch, 17 Prozent liegen bei Katar.

© SZ vom 03.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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