Niedersachsen:Betreutes Regieren

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Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Anteile an Volkswagen. (Foto: AFP)

Die Regierungserklärung vorab bei VW zum Redigieren vorzulegen - das ist peinlich und etwas tölpelhaft. Aber der Vorgang ist bezeichnend für die Beziehungen zwischen Politik und Autoindustrie.

Kommentar von Heribert Prantl

Ein Aufsichtsrat ist verpflichtet, Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Ein Ministerpräsident ist verpflichtet, Schaden vom Land abzuwenden. Wenn ein Ministerpräsident zugleich Aufsichtsrat ist, muss er Schaden vom Land und vom Unternehmen abwenden; er muss die Interessen des Landes und des Unternehmens gleichermaßen vertreten.

Das ist ein Balanceakt, den die Gesetzeslage dem Vertreter des jeweiligen Landes zumutet - ob es nun um die Flughafen München GmbH oder um die Fraport AG in Frankfurt geht. Im Fall der VW-Aktiengesellschaft, an der das Land Niedersachsen zwanzig Prozent der Anteile hält, ist das nichts anders, das Besondere an VW sind allerdings die Größe des Unternehmens und die Größe des Dieseldesasters.

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Man kann bei dem Balanceakt zwischen den Interessen des Landes und den Interessen des Unternehmens gute oder schlechte Figur machen. Anlässlich seiner Regierungserklärung zum VW-Skandal im Oktober 2015 hat der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil keine gute Figur gemacht. Die Regierungserklärung vorab bei VW zum Redigieren vorzulegen - das ist peinlich und etwas tölpelhaft.

Natürlich war es zu Beginn der VW-Großkrise noch schwerer als sonst, die Balance zu halten: Wenn jedes Wort neue Ermittlungen in den USA oder sonstwo auslösen kann, muss man jedes Wort noch sorgfältiger wägen als sonst. Aber was soll das für ein Balancieren sein, wenn man sich an der einen Hand führen und in die andere eine redigierte Rede drücken lässt? Das ist kein Balanceakt, sondern VW-betreutes Regieren.

Man kennt sich, man duzt sich

Häme darüber kann sich die CDU aber sparen; sie ist scheinheilig. Die von ihr in Niedersachsen gestellten Regierungen haben es (in Zeiten, die für VW weniger angespannt waren) nicht anders gehalten; man saß miteinander im Schaumbad des VW-Erfolgs und seifte sich gegenseitig ein. In einer für VW existenzkritischen Zeit war es dann so: Eine Stabsstelle bei VW prüft und korrigiert die Regierungserklärung, die der Ministerpräsident Weil am nächsten Tag zu halten gedenkt. Der Vorgang als solcher ist in extrem bedrohlicher Lage zwar irgendwie nachvollziehbar, aber gleichwohl beschämend und unwürdig. Das Ergebnis dieser Redigatur freilich mag nun die ganz große Aufregung nicht wert sein. Die von VW angeregten Änderungen und Präzisierungen waren harmloser Natur. Sie betrafen nicht die politischen Bewertungen, nicht Weils VW-Kritik - die freilich ohnehin nicht sehr scharf, sondern eher wattiert ausgefallen war.

Gleichwohl ist der Vorgang bezeichnend für die Beziehungen zwischen Politik und Autoindustrie im Allgemeinen und für die Beziehungen zwischen Politik und VW im Besonderen: Man kennt sich, man duzt sich. Das ist auf Landesebene so, das ist auf Bundesebene so. Es gilt der Satz des Prinzen Orlofsky aus der "Fledermaus": "'s ist mal bei mir so Sitte." Diese Sitte besagt hier, dass man Auto-Konzernen in fast jeder Weise entgegenkommt. Der "Fall Weil" ist nur eine besondere Ausprägung dieser Sitte in besonders turbulenten Zeiten.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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