Rechtspopulismus in den Niederlande:Wilders und das Prinzip Angst

Der Aufstieg des Islamfeindes Geert Wilders ist beispiellos. Die Methoden des Niederländers sind berüchtigt: Wie Wilders Wähler mobilisiert - und warum seine Macht bald schon wachsen könnte.

Oliver Das Gupta

Geert Wilders hat es fast geschafft - und die Polit-Konkurrenz bebt seit Jahren: Zunächst aus Wut und Empörung über seine islamfeindlichen Ausfälle, inzwischen zittern Liberale, Konservative und Sozialdemokraten aber längst aus Furcht. Die Mitte-links-Regierung von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende ist zerbrochen, die Niederlande wählen am 9. Juni neu - aus Wilders Warte zur rechten Zeit.

Zwei wichtige Kommunalwahlen - am Regierungssitz Den Haag sowie in der Retortenstadt Almere - geben in diesen Tagen Aufschluss über die politische Stimmung im Land der Deiche und Tulpen.

Denn Wilders' Partei PVV (Partei für die Freiheit) räumte bei beiden Abstimmungen ab: In Almere wurde die PVV stärkste politische Kraft, in Den Haag belegte sie Platz zwei knapp hinter den Sozialdemokraten.

"Heute Almere und Den Haag", verkündete Wilders in seiner Rede zum Wahltriumph, "morgen die ganzen Niederlande!" Es ist ein Ausruf, der manchen aufhorchen lässt, angesichts der Analogie zu einem Kampflied von Hitlers Sturmabteilung, der SA: "Denn heute gehört uns Deutschland, und morgen die ganze Welt ...", grölten die Mitglieder der berüchtigten Schlägertruppe.

Gut möglich, dass Geert Wilders bewusst diese Paralelle gezogen hat, es wäre nur ein weiterer Tabubruch des PVV-Chefs. Warum sollte er sich fürchten? Bislang ging es für ihn schließlich nur in eine Richtung: nach oben.

Geert Wilders Karriere fügt sich ein in die Erfolge anderer rechtspopulistischer Bewegungen in Europa und doch ist er beispiellos. Seine Partei besteht erst seit wenigen Jahren und fand sofort Anklang.

Virtuos spielt der 46 Jahre alte Wilders die islamfeindliche Melodie - so wie der Schweizer Christoph Blocher und der Haider-Zögling Hans-Christian Strache in Wien.

Doch anders als Österreichs gebräunter Rechtsaußen und der dumpf wetternde Eidgenosse setzt Wilders auf eine ausgeklügelte thematische Mischung. Sie attackiert immer in eine Stoßrichtung: Gegen den Islam, gegen den Koran.

Verschiedene Zielgruppen

Wilders besetzt Themen, die Menschen betreffen, welche an sich nicht das klassische Rechtsaußen-Potential ausmachen: Frauen, Arbeiter, Homosexuelle, Juden und Wertekonservative.

Er stilisiert sich auch als Verteidiger von Menschenrechten - und unterstreicht, wie durch den Koran die Freiheit von Frauen, von Schwulen und Lesben angeblich beschränkt wird. Er findet Gehör bei den Arbeitnehmern, wenn er sich gegen ein höheres Renteneintrittsalter stemmt. Die fehlenden Milliarden im Staatshaushalt hätte man leicht bei der Migranten-Unterstützung einsparen können.

Wilders punktet bei Konservativen, wenn er seine Bewunderung für Maggie Thatcher kundtut und Winston Churchill zitiert. Er liebe Israel, behauptet er.

Die Kosten der Einwanderung

Dann die Nazi-Masche: Der forsche Niederländer weiß, dass im kollektiven Gedächtnis seiner Landsleute die Erinnerung an Hitlers Wehrmacht, die die Niederlande 1940 überfiel und danach besetzt hielt, nach wie vor präsent ist.

Auf die bei manchen vorhandenen antideutschen Reflexe setzt Wilders, wenn er den Islam faschistisch nennt und den Koran mit Hitlers Hetz-Pamphlet Mein Kampf vergleicht.

Mit seinem jüngsten Kniff will Wilders diejenigen für sich gewinnen, die in der Wirtschaftskrise Geld verloren haben. Also: fast alle. Es geht um die Ausgaben für Integration und den lädierten Staatshaushalt. Wilders will die wahren Kosten der Immigration aus nicht westlichen Ländern errechnen lassen.

Alle will Wilders bedienen, bei allen will er eines auslösen: Auch der letzte Niederländer soll Angst bekommen, und wenn er sich nicht fürchtet, soll er wenigstens wütend werden.

Lesen Sie auf Seite 2, wo Wilders seine politische Karriere startete - und wie es um seine Chancen bei der Parlamentswahl im Juni steht.

Der schrille Angstmacher

Etwas schrill soll Wilders schon immer gewesen zu sein, allerdings bewegte er sich zunächst in gemäßigten Polit-Gefilden. Vor wenigen Jahren noch war er Mitglied bei der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), einer liberalen Partei.

Er schrieb Reden für andere und assistierte, galt als einer, der wohl irgendwann Minister geworden wäre, wenn er ab und zu nicht zu laute und zu scharfe Töne von sich gegeben hätte.

Und da waren noch seine blondierten Haare, die Hohn erregten. Geh zum Friseur und mäßige deinen Ton, sollen seine damaligen Parteifreunde gespöttelt haben.

"Mozart" und seine Mission

Geert Wilders ging - aus der liberalen Partei und machte seine eigene auf. Er gründete die PVV, schnitt sie vollends auf sich zu. Dort lacht niemand über ihn, schon gar nicht wegen seiner Haare. Manche Anhänger nennen ihn wegen seiner perückenartigen Frisur Mozart.

Über Geert Wilders Privatleben ist kaum etwas bekannt: Von einer indonesisch-jüdischen Großmutter ist die Rede, aber das kann auch von seinen Gegnern erfunden sein. Seine Frau ist angeblich Ungarin und Ex-Diplomatin. Der junge Wilders soll in Deutschland Geld damit verdient haben, Gurken in Gläser zu stopfen, danach studierte er Jura und arbeitete bei der Sozialversicherungsbehörde.

Privat schirmt er sich ab. Sein Haus gleicht einer Burg, um ihn wimmelt es von Leibwächtern, und das aus triftigem Grund: Täglich gehen Drohungen ein. Die Morde an Wilders politischem Vorgänger Pim Fortuyn und dem Filmemacher Theo van Gogh haben das kleine Land an der Nordsee nachhaltig erschüttert. Beide Opfer setzten auf die islamfeindliche Karte, van Gogh wurde von einem frommen Muslim bestialisch abgeschlachtet.

Jener 2. November 2004 erschütterte die Niederlande nachhaltig, es war eine Zeitenwende: Frau Antje bekam Angst.

Tiraden gegen "Hass-Bärte"

Geert Wilders witterte diese Angst, seine Stunde war gekommen. Mit Verve gibt er seitdem die rechte Rampensau: Mal wettert er gegen "Hass-Bärte", mal fordert er, Kopftuchträgerinnen mit 1000 Euro pro Jahr zu besteuern.

Er verlangt Bürgerwehren zur Kontrolle muslimischer Jugendlicher, warnt davor, dass die Muslime die Niederlande zu einer Kolonie Arabiens machen wollen.

Wilders bringt schon mal die Deportation von "Millionen, zig Millionen" von "Problemmuslimen" ins Spiel. Die unfähige Regierung verglich der Rechtspopulist einmal mit vergorener Milch.

Er beginnt seine Sätze gerne mit Worten, die auch andere Populisten für ihr Stammtisch-Gedröhne verwenden. "Es muss doch erlaubt sein, zu sagen ..." und dann legt der adrett geföhnte Mann im dunklen Anzug los. Unverschämtheiten, bizarre Vorschläge und unverhohlene Hetze - und das jede Woche.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Wilders und die Boulevard-Medien voneinander profitieren - und wie er die Empörung über seinen Anti-Islam-Film geschickt für weitere Aufmerksamkeit instrumentierte.

Geert Wilders, das Quotengold

Die niederländischen Medien saugen solche Schlagzeilen gierig auf - Wilders freut sich über die gelungene PR und die Zeitungen über gute Verkaufszahlen. "Populisten und Boulevardisten preisen in einer komplexen Welt einfache Lösungen an", sagte der Schweizer Publizist Roger de Weck einmal zutreffend über das Phänomen.

Populisten und einige Journalisten benutzten dieselben Mittel: Das Bewirtschaften von Ängsten, Emotionalisierung und Personalisierung. In den Niederlanden mit seinen auflagenstarken Gratis-Zeitungen war der Erfolg dieser Symbiose durchschlagend: Die rechte Rampensau war Quotengold.

Wilders Kurzfilm Fitna ist ein Beispiel einer besonders gelungenen Polit-Vermarktung: Die Debatte um den 17-Minuten-Streifen schäumte schon beträchtlich, bevor er überhaupt gezeigt worden war. In dem Film kombiniert Wilders Koran-Suren mit barbarischen Szenen wie einer Steinigung in Iran oder einer Enthauptung im Irak.

Absurde Äußerungen

Die Aufregung führte dazu, dass der britische Premier Gordon Brown ein Einreiseverbot für Wilders verhängte.

Der Niederländer flog nach London und wurde - wie erwartet - am Flughafen sofort wieder zurückgeschickt. Die mitgereisten Journalisten, es waren mehrere Dutzend, berichteten groß darüber.

Er habe gar nichts gegen Muslime, nur gegen den Islam, erklärt Wilders immer wieder. Dass dies absurd ist, stört ihn nicht.

Anzeigen gegen den rechten Angstmacher gibt es auch zuhauf, inzwischen gibt es sogar ein Spezialformular dafür. Die Auftritte vor Gericht bedeuten für den Parlamentarier eine weitere Bühne.

Mit acht weiteren Abgeordneten sitzt Geert Wilders im Parlament, bald werden es deutlich mehr sein, glauben Freund und Feind.

Balkenende, Wilders und die Wahl

Schon vor den jüngsten Wahlerfolgen hatte der konservative Noch-Premier Balkenende Wilders die Tür zur Macht geöffnet. "Wir schließen niemanden von vornherein aus", sagte der Christdemokrat.

Geert Wilders signalisierte bereits Entgegenkommen. Er weiß, dass seine Vorstellungen über ein Einwanderungsverbot für Muslime und staatliche Maßnahmen gegen "Islamisierung" nicht in Gesetze gegossen werden können, zumindest nicht so, wie er es in seinen platten Tiraden verkündet.

"Ich weiß, dass wir nicht in jeder Beziehung unseren Willen bekommen können", schnurrte Wilders. In einem Punkt will er allerdings hart bleiben.

Der Einsatz der 1880 niederländischen Soldaten in Afghanistan dürfe nicht über das Jahr 2010 hinausgehen, postulierte Geert Wilders.

Dies ist auch die Position der bisher regierenden Sozialdemokraten. Weil sie auf den Abzug pochten, hatte Balkenende die Koalition platzen lassen.

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