Süddeutsche Zeitung

Niederlande:Wer nicht widerspricht, wird Organspender

  • Das niederländische Parlament hat eine Widerspruchslösung in der Organspende beschlossen.
  • Künftig soll jeder Volljährige angeschrieben werden, ob er nach seinem Tod Organe spenden will. Wer nicht ausdrücklich widerspricht, wird als Spender registriert.
  • Auch in Deutschland wird eine solche Regelung diskutiert. Sie gilt als sinnvolle Maßnahme gegen den extremen Mangel an Spenderorganen.

Das niederländische Parlament hat eine Wende beim Thema Organspende beschlossen. Künftig gilt eine sogenannte Widerspruchslösung. Danach ist jede erwachsene Person grundsätzlich ein Organspender - außer, sie hat dem ausdrücklich widersprochen. Nach dem neuen Gesetz erhalten alle Bürger einen Brief, in dem sie gefragt werden, ob sie nach dem Tod ihre Organe spenden wollen. Antworten sie nicht, werden sie automatisch als Spender registriert.

Holland ist mit dieser Gesetzesänderung das 18. europäische Land, das zur Widerspruchslösung bei der Organspende wechselt. Grund für die seit Jahren diskutierte Änderung ist ein extremer Mangel an Spenderorganen. Die Niederlande registrierten bisher knapp 15 Spender auf eine Million Einwohner. Spanien ist weltweit das Land mit der höchsten Rate: 46,9 Spender pro Million Einwohner. Dort gilt ebenfalls die Widerspruchslösung.

Eine Widerspruchslösung wird auch in Deutschland diskutiert

In Deutschland gilt eine sogenannte Zustimmungsregelung. Danach ist nur ein potenzieller Organspender, wer zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Liegt keine Aussage vor, können die Angehörigen im Sinne des potenziellen Spenders entscheiden. Außerdem hat die Bundesregierung die Krankenkassen verpflichtet, die Bürger regelmäßig über die Organspende zu informieren und sie zu animieren, einen Spendeausweis auszufüllen.

Eine Widerspruchslösung wird auch in Deutschland immer wieder diskutiert, nicht zuletzt wegen der ständig zurückgehenden Spenderzahlen. Erst vor wenigen Wochen kam heraus, dass die Zahl der Organspenden in der Bundesrepublik auf ein historisches Tief gefallen ist. Mit 9,3 Spendern pro eine Million Einwohner rutschte die Bundesrepublik in Europa endgültig auf die untersten Tabellenränge; nur Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Albanien haben noch weniger Spender. Die Zahl ist so niedrig, dass nun theoretisch sogar die Mitgliedschaft im Eurotransplant-Verbund zur Disposition steht. Denn dort geht man erst ab zehn Spendern pro Million Einwohner von einem "ernst zu nehmenden Organspendesystem" in einem Land aus.

Weniger als 800 Menschen in Deutschland wurden vergangenes Jahr Organe entnommen. Insgesamt wurden 2594 Organe gespendet. Etwa 200 weitere kamen aus dem Ausland. Derzeit warten in der Bundesrepublik mehr als 10 000 Menschen auf ein Organ. Durchschnittlich drei Menschen auf der Warteliste sterben täglich.

Mit der knappen Mehrheit von 38 Stimmen und 36 Gegenstimmen nahm der Senat in Den Haag die jahrelang diskutierte Reform nun an. Der Senat vertritt die Provinzparlamente. Die wichtigere zweite Kammer hatte schon im Herbst 2016 über das Organspende-Gesetz abgestimmt - mit einem denkbar knappen Ergebnis: 75 Ja- und 74 Nein-Stimmen. Ein Abgeordneter, der dagegen stimmen wollte, war im Stau stecken geblieben. Das Gesetz wird nun der Regierung vorgelegt. Sie entscheidet dann, wann es im Amtsblatt veröffentlicht wird und in Kraft tritt.

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SZ.de/kna/jsa/jael
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