Niederlande:Schwarz, jung, dickes Auto: Muss ein Drogendealer sein

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Aufnahme von 2011: Der Rapper Typhoon kritisierte auf Instagram, dass grundsätzlich etwas falsch laufe in der Gesellschaft. (Foto: imago stock&people)
  • Der schwarze Rapper Typhoon passte, wie ihm die Polizisten bestätigten, ins Profil eines Drogenhändlers.
  • Der erfolgreiche Musiker, der jüngst auch vor dem niederländischen Königspaar auftrat, machte den Fall auf Instagram publik.
  • Rassismus? Das schien immer das Problem der anderen zu sein, doch seit dem Jahrtausendwechsel ist das Klima auch in den als weltoffen geltenden Niederlanden rauer geworden.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Es war ein Vorfall, wie er so oder ähnlich vermutlich oft geschieht. Doch weil es einen bekannten Kulturschaffenden traf, der den Mund aufmachte, spricht nun das ganze Land darüber. Am Montag hielt die Polizei im niederländischen Zwolle den Rapper Typhoon an. Ohne triftigen Grund; der Mann passte nur, wie ihm die Polizisten bestätigten, ins Profil eines Drogenhändlers: relativ jung, 31, dickes neues Auto (ein weißer SUV, den er sich nach seinem erfolgreichen jüngsten Album leisten konnte) und dunkle Hautfarbe.

Der in den Niederlanden aufgewachsene Musiker, dessen Eltern aus der früheren Kolonie Surinam stammen und der erst neulich vor dem Königspaar aufgetreten war, wehrte sich mit einem Eintrag auf Instagram. Zum x-ten Mal sei ihm das passiert, klagte er, und dabei habe er noch den Vorteil, bekannt zu sein. Da laufe etwas grundsätzlich falsch in der Gesellschaft.

Die Polizei reagierte sofort. Man entschuldige sich für den "Einschätzungsfehler" der Beamten. Die Polizei müsse neutral sein, Aussehen und Herkunft dürften keine Rolle spielen, man werde daraus lernen. Das war einerseits erfreulich offen und korrekt, andererseits die erste offizielle Bestätigung, dass "racial profiling", also Verdächtigungen allein aufgrund von ethnischen oder religiösen Merkmalen, durchaus zu den Polizeimethoden zählen.

Das sollte nicht so sein, weil es sich nach überwiegender Ansicht um Rassismus handelt, kommt aber oft vor. Dies zeigen Geschichten, die Betroffene - unter ihnen Firmendirektoren und Anwälte - in den Medien erzählten. Sind das "Einzelfälle", wie die Polizei behauptet, oder ist es doch ein breiteres Problem, wie Amnesty International andeutet? In einem Bericht zitierte die Organisation 2013 einen Polizisten mit Migrationshintergrund, der das Problem aus eigener Anschauung gut kannte.

Der ewige Streit über den Zwarte Piet ist neu ausgebrochen

Rassismus? Das schien immer das Problem der anderen zu sein, dachte man lange Zeit in den Niederlanden, die viel auf ihre Toleranz hielten, auf ihre Fortschrittlichkeit. Zwar sind die Niederländer anderen Staaten viel voraus, doch seit dem Jahrtausendwechsel ist das Klima rauer geworden. Die Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh und des Rechtspopulisten Pim Fortuyn, der Aufstieg des Islamfeindes Geert Wilders und die Multiplikationswirkung des Internets haben viel Gift in den Diskurs gemischt und die Kluft zwischen den alteingesessenen Niederländern und den Fremdstämmigen (Allochthonen) vertieft.

Das bekam auch Sylvana Simons zu spüren, die kürzlich bekannt gab, als Kandidatin für die neue Einwandererpartei Denk antreten zu wollen. Die frühere TV-Moderatorin, ebenfalls surinamischer Abstammung und extrem präsent im Fernsehen, wurde im Netz wüst beschimpft. Eine Facebook-Seite feierte ihren "Abschied", was Zehntausende Menschen begrüßten.

Das sei "asoziales Verhalten", sagte Premierminister Mark Rutte. "Rassismus und Diskriminierung sitzen hartnäckig tief in unserer Gesellschaft", konstatierte Diederik Samsom, Fraktionschef der Sozialdemokraten. Die Partei Denk allerdings ist heftig umstritten, weil ihr Kampf für Einwandererrechte ebenfalls nicht frei von Intoleranz, ja Fundamentalismus bleibt.

Und dann ist da noch der ewige Streit über den Zwarte Piet, den schwarz gefärbten Nikolaushelfer. Er ist schon wieder ausgebrochen, nachdem hundert Prominente in einem offenen Brief gefordert hatten, sich von diesem "Stereotyp" endlich zu verabschieden.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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