Die neue rechte Regierung in den Niederlanden hält, was sie ihren Wählern versprochen hat. Sie ändert den Kurs, und zwar deutlich. Die Details werden erst in knapp zwei Wochen bekannt, wenn das Budget präsentiert wird, doch einzelne Äußerungen lassen schon erkennen, wohin die Reise gehen soll. So verkündete Asylministerin Marjolein Faber am Mittwoch, von Januar an alle staatlichen Zahlungen an abgewiesene Asylsuchende einzustellen. Die Kommunen können nun selbst entscheiden, ob sie den Ausreisepflichtigen noch ein Minimum an Obdach und Verpflegung zukommen lassen wollen. Für die Notunterbringung nach der „Bett-Bad-Brot-Regelung“ hatte die Regierung bisher etwa 30 Millionen Euro im Jahr ausgegeben.
Mindestens ebenso energisch reißt das Kabinett von Premier Dick Schoof das Ruder beim Naturschutz herum. Die Landwirtschaftsministerin Femke Wiersma will den Plan der alten Regierung kippen, in Abstimmung mit den Provinzen die überhöhten Stickstoffemissionen zu senken. Damit zieht die Politikerin der populistisch-konservativen Bauer-Bürger-Bewegung (BBB) einen abrupten Schlussstrich unter die vielfältigen, bisher weitgehend vergeblichen Bemühungen der Kabinette des früheren Ministerpräsidenten Mark Rutte, die sogenannte Stickstoffkrise in den Griff zu bekommen. Was stattdessen folgen soll, ist offen. Frühestens Ende des Jahres werde man Genaueres mitteilen können, sagte Wiersma in einer Parlamentsdebatte.
2022 kam es zu gewalttätigen Protesten
Die Niederlande, drittgrößter Agrar-Exporteur der Welt, kämpfen seit Langem mit überhöhten Stickstoffemissionen, die zum größten Teil aus der intensiven Viehhaltung resultieren. Dadurch reißen sie europäische Grenzwerte. Sensible Feuchtgebiete sind von erhöhter Nährstoffzufuhr bedroht und teilweise schon zerstört. Ursprünglich hatte die Regierung versucht, mit einem System von Stickstoff-Lizenzen gegenzusteuern. Übertretungen wurden dabei aber de facto ignoriert. Nach einer Klage von Umweltschützern forderte das höchste Gericht des Landes 2019, die Emissionen nun ernsthaft zu senken.
Das Urteil löste eine politische Krise aus, die bis heute ungelöst ist. Die Regierung war gezwungen, hektisch ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen, der Bau von Wohnungen und Straßen musste gestoppt werden. In der Folge legten die Rutte-Kabinette mehrere Programme auf, um Bauern zu einer Reduktion des Viehbestands zu bewegen. Dazu gehörten das Aufkaufen von Betrieben, vor allem in der Nähe sensibler Gebiete, sowie in letzter Konsequenz Zwangsschließungen. Das wiederum führte zu teilweise gewalttätigen Protesten der Bauern, die das Land vor allem 2022 monatelang in Bann hielten.
Die neue Regierung hat bereits 20 Milliarden Euro gestrichen
Der Aufruhr schwemmte auch die BBB, den politischen Arm der radikaleren Bauern, in die Parlamente – und nun in die neue Regierung, die sie mit der Rechtsaußen-Partei PVV von Geert Wilders, den Liberalkonservativen und der Mitte-rechts-Partei Neuer Sozialvertrag bildet. BBB bestreitet zum einen das Ausmaß der Stickstoffkrise. Zum anderen hält sie technische Maßnahmen, etwa bei der Lüftung in den Ställen, für ausreichend. Generell wird das Stickstoffproblem in rechten Kreisen des Landes gern als Einbildung der Umweltschutz-Lobby bezeichnet.
Die Vorgängerregierung hatte es zuletzt weitgehend den zwölf Provinzregierungen überlassen, auf welche Weise sie die Emissionsziele erreichen wollten. Dafür waren 25 Milliarden Euro im Haushalt vorgesehen. Fast 20 Milliarden davon hat das neue Kabinett schon vor Wochen gestrichen und die Fristen für die Einreichung der Provinzpläne verlängert. Gleichzeitig versprach die Koalition in ihrem Regierungsprogramm jedoch, sich an die Reduktionsziele beim Stickstoff halten zu wollen.
Vertreter radikalerer Bauernorganisationen begrüßten die Entscheidung der Ministerin am Mittwoch enthusiastisch. „Ohne Kampf kein Sieg“, jubelte die „Farmers Defence Force“ auf X. Im Parlament übten Oppositionspolitiker heftige Kritik: Es drohten neue Klagen von Umweltschützern, was zu einem Konflikt mit der Justiz führen könne.