Niederlande:Sprengstoff Afghanistan-Einsatz

Verlängerung - ja oder nein: Am Streit um das Afghanistan-Mandat ist die Regierung der Niederlande zerbrochen. Nun wird es wahrscheinlich Neuwahlen geben.

Der Streit über den Afghanistan-Einsatz hat die niederländische Regierung gesprengt. Nach einer 16-stündigen Kabinettssitzung teilte Ministerpräsident Jan Peter Balkenende am frühen Samstagmorgen in Den Haag mit, die sozialdemokratische Arbeitspartei (PvdA) werde die Koalition verlassen.

Niederlande, Bos, Balkenende, Reuters

Ende einer Koalition: Sozialdemokrat Wouter Bos und Christdemokrat Jan Peter Balkenende.

(Foto: Fotos: Reuters)

Balkenendes Christdemokraten (CDA) wollen das Afghanistan-Mandat verlängern, die Sozialdemokraten hatten sich vehement dagegen ausgesprochen. Nun wird es wahrscheinlich zu Neuwahlen kommen.

Balkenende deutete zwar an, er wolle nach einem neuen Koalitionspartner suchen: Die CDA wolle zusammen mit der dritten Koalitionspartei, der Christen-Union (CU), weiterregieren und die Kabinettssitze der sozialdemokratischen Minister "zur Verfügung stellen", sagte der Ministerpräsident.

Die CU erklärte indes, sie stelle sich auf Neuwahlen ein. "Das ist das Ende dieses Kabinetts", sagte der CU-Vorsitzende André Rouvoet. Er rechne damit, dass Königin Beatrix nach dem Rücktritt der PvdA-Minister die verbleibenden Kabinettsmitglieder bitten werde, sich auf Neuwahlen vorzubereiten. Die Monarchin, die gegenwärtig in Österreich Urlaub macht, wurde am Sonntag in Den Haag erwartet.

Streit um Mandatsverlängerung

Mit dem Auszug der PvdA aus der Regierung kann Ministerpräsident Balkenende im Parlament nur noch auf die Unterstützung von 47 der 150 Abgeordneten zählen. Eine Neuwahl wäre nach der niederländischen Verfassung frühestens im Mai möglich.

Nach Angaben des Sprechers des Innenministeriums, Vincent van Steen, wird es "spätestens im Juni" zu Neuwahlen kommen. Bis zu einer Entscheidung würden CDA und CU die Kabinettsposten der ausgeschiedenen Sozialdemokraten übernehmen.

Die Koalition, die am Montag drei Jahre im Amt gewesen wäre, stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Schon im Wahlkampf Ende 2006 tauschten Balkenende und sein späterer Stellvertreter im Ministerpräsidenten-Amt, der PvdA-Vorsitzende Wouter Bos, ungewöhnlich scharfe verbale Spitzen aus.

Die Debatte über den Afghanistan-Einsatz erwies sich schließlich als Sprengstoff für das Bündnis. Es ging um die Frage, ob das Mandat für die 1600 niederländischen Soldaten, die derzeit in der Provinz Urusgan stationiert sind, verlängert werden soll. Die Arbeitspartei bestand darauf, dass die Truppen - wie ursprünglich vorgesehen - ab August abgezogen werden.

"Als unsere Soldaten nach Afghanistan gingen, haben wir uns auf einen Plan geeinigt", sagte Bos. "Unsere Partner in der Regierung wollten sich nicht an diesen Plan halten, und aufgrund ihrer Weigerung haben wir beschlossen, aus dieser Regierung auszuscheiden."

Nato setzt auf kleineres Truppenkontingent

Umfragen zufolge steht die Bevölkerung dem Afghanistan-Einsatz, der bislang 21 niederländische Soldaten das Leben gekostet hat, ablehnend gegenüber. Die Arbeitspartei, die sich mit sinkenden Umfragewerten konfrontiert sieht, wollte sich diese Stimmung mit Blick auf die im März anstehenden Kommunalwahlen offenbar zunutze machen.

Die Christdemokraten halten derzeit 41 Sitze in dem 150 Sitze umfassenden Zehn-Parteien-Parlament. Die Sozialdemokraten haben 33 Parlamentarier entsandt. Meinungsumfragen sagen beiden großen Parteien herbe Verluste voraus. Wäre an diesem Sonntag Wahl, würde den Umfragen zufolge die rechtsgerichte Partei für die Freiheit (PVV) des Populisten Geert Wilders die Zahl ihrer Mandate von derzeit neun auf 24 erhöhen und zweitstärkste Kraft werden.

Die Nato betonte am Samstag, die Verbündeten der Niederlande hofften auf den Verbleib zumindest eines verkleinerten Truppenkontingents in Afghanistan. "Der beste Weg wäre eine neue, kleinere niederländische Mission", erklärte Nato-Sprecher James Appathurai in Brüssel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: