Süddeutsche Zeitung

Niederlande:Aber wer wird denn nun Premier?

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Vier Parteien haben sich in Den Haag nach monatelangen Verhandlungen auf die Bildung einer Rechtsregierung verständigt. Ein ganz zentraler Punkt ist allerdings noch nicht geklärt.

Von Thomas Kirchner

Sechs Monate nach der Wahl könnten die Niederländer nun bald die Rechtsregierung bekommen, für die sie in großer Zahl im November gestimmt hatten. Die vier Parteien, die seit Wochen intensiv miteinander verhandelt haben, hätten sich auf eine Zusammenarbeit verständigt, sagte Geert Wilders von der Freiheitspartei PVV am Mittwochnachmittag. "Wir haben eine Vereinbarung", sagte er. Offen blieb am Mittwoch zunächst allerdings die nicht ganz unwesentliche Frage, wer Ministerpräsident werden soll. Die Gespräche darüber werde man zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen, sagte Wilders. Insofern steht die neue Regierung noch nicht definitiv.

Bei den vier Partnern handelt es sich neben der äußerst rechten islam- und migrationskritischen PVV um drei Parteien rechts der Mitte: die rechtsliberale VVD unter Dilan Yeşilgöz, Neuer Gesellschaftsvertrag (NSC) von Pieter Omtzigt sowie die Bauer-Bürger-Bewegung von Caroline van der Plas. Worauf sie sich verständigt haben, wurde nicht bekannt gegeben. Am Abend traten zunächst die Fraktionen zusammen, um über die Einigung zu befinden. Um Mitternacht lief die Frist ab, bis zu der die zwei Moderatoren der Verhandlungen ihren Bericht ans Parlament abliefern mussten.

Ein Herzchen-Smiley wurde schnell wieder gelöscht

Dass die Premierfrage und damit die Nachfolge von Mark Rutte noch nicht geklärt ist, deutet auf äußerst schwierige Gespräche und gespannte persönliche Beziehungen hin. Einen inoffiziellen Kandidaten gibt es nämlich schon. Der Name von Ronald Plasterk, einem politisch weit nach rechts gewanderten Sozialdemokraten, zirkuliert seit Montag in Den Haag. Und zwar auf eigenartige Weise: Ein angeblicher Presseaccount der PVV verkündete zunächst auf X, Wilders habe sich auf Plasterk festgelegt. Fleur Agema, Nummer zwei der PVV und enge Vertraute von Wilders, kommentierte den Tweet mit einem Herzchen-Smiley, löschte ihn aber schnell wieder. Am Dienstag wiederholte der Sender RTL unter Berufung auf Eingeweihte, Plasterk sei der Kandidat. Seinen Namen wollte aber auch am Mittwoch keiner der Verhandelnden in den Mund nehmen.

Der gelernte Molekularbiologe war Innen- und Bildungsminister gewesen, bevor er 2017 aus der Politik ausschied. 2018 gründete er eine Firma für Krebstherapien, die er einige Jahre später für 32 Millionen Euro an die deutsche Curevac verkaufte. Seit Langem schreibt er Kolumnen für die konservative Boulevardzeitung Telegraaf und attackiert darin scharf die politische Elite im Allgemeinen und Linksgrün im Besonderen. Den Politikern wirft der Noch-Sozialdemokrat regelmäßig vor, sich nicht um die wahren Belange des Volkes zu kümmern und unnötig viel Geld für den Klimaschutz auszugeben.

Die vier Parteien verhandeln im Prinzip seit der Wahl miteinander. Doch waren die Gespräche mehrmals gescheitert, zunächst weil Omtzigt den rechtsstaatlichen Beteuerungen Wilders' nicht traute. Der PVV-Politiker, ein Ultranationalist, der gegen Ausländer agitiert und einen radikalen "Asylstopp" fordert, ist Omtzigt eigentlich zu radikal. Doch der NSC-Chef sah angesichts des Wahlergebnisses, das Wilders weit in Führung sah, am Ende keine andere Wahl als das Rechtsbündnis. Allerdings bestand er darauf, dass die vier Parteien kein normales, sondern ein extraparlamentarisches Kabinett bilden. Sie verabredeten, sich nur auf wenige zentrale inhaltliche Punkte zu einigen und viele Politiker anderer Parteien oder Unabhängige in die Regierung zu holen. Außerdem musste Wilders auf das Amt des Premierministers verzichten.

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