Von der Flüchtlingskrise und besonders von den Kölner Übergriffen profitieren Rechtspopulisten in ganz Europa. Aber wohl niemandem hilft das so sehr wie Geert Wilders. Der Niederländer, um den es nach einigen Wahlniederlagen ruhiger geworden war, erlebt ein triumphales Comeback. Schon länger sehen Umfragen seine Freiheitspartei wieder im Vorderfeld, inzwischen wäre sie, wenn jetzt gewählt würde, mit mehr als 40 von 150 Stimmen eindeutig stärkste Kraft im Parlament.
Wilders' Lieblingsthemen, EU- und Islamkritik, liegen im Trend. Die Europaskepsis seiner Landsleute hat sich im vergangenen Jahrzehnt verfestigt, und nun kommt ihre Angst vor einer unkontrollierten Zuwanderung hinzu. Etwas mehr als 50 000 Flüchtlinge wurden 2015 aufgenommen. Bei Informationsveranstaltungen kommt es regelmäßig zu Protesten gegen den Bau von Asylunterkünften. Kurz vor Weihnachten eskalierte eine Demonstration in Geldermalsen bei Utrecht. Dutzende Demonstranten bewarfen das Rathaus mit Steinen und Flaschen, es gab mehrere Verletzte, 14 Menschen wurden festgenommen.
Der "große blonde Twitterer" will alle männlichen Flüchtlinge wegsperren
Wilders nutzt die Verunsicherung hemmungslos aus. Ein "Asyl-Tsunami" drohe, warnt er, die Flüchtlinge seien eine "tickende Zeitbombe", islamische "Testosteronbomben" verübten "Sex-Terror", ja einen "Sex-Dschihad". Das Einzige, was helfe, sei die sofortige Schließung der Grenze, den EU-Austritt fordert er ohnehin.
Landesparteitag der SPD in Mainz:"In Teilen rechtsextrem" - Malu Dreyer nimmt AfD ins Visier
Mit deutlichen Worten hält Ministerpräsidentin und SPD-Spitzenkandidatin Dreyer an ihrer Haltung fest, nicht mit der AfD in einer TV-Runde an einem Tisch sitzen zu wollen.
In dieser Woche ging der "große blonde Twitterer", wie ihn die Medien nennen, noch weiter: Um "Frauen und Töchter" zu schützen, gehörten alle männlichen Flüchtlinge weggesperrt, forderte er; für sie müssten die Asylbewerberzentren zu geschlossenen Anstalten werden. Und weil Pfefferspray in den Niederlanden verboten ist, verteilte Wilders am Wochenende auf einem Marktplatz bei Rotterdam Farbspray an Frauen, um damit Angreifer zu vertreiben.
Die anderen Parteien müssen bessere Lösungen anbieten
Die anderen Parteien sehen Wilders' Höhenflug mit Sorge, wissen sich aber nicht wirklich zu wehren. An Monstrosität sei der Kollege nun mal nicht zu übertreffen, sagt der Vorsitzende der Christen-Unie, Gert-Jan Segers. "Er weiß wie kein anderer, wie man die Verzweiflung und Angst der Menschen ansprechen muss." Und der sozialdemokratische Vizeministerpräsident Lodewijk Asscher sagt: "Wilders bietet keine Lösungen an. Wichtig ist allein, dass wir bessere Lösungen anbieten."
Soll man ihn ernst nehmen oder ignorieren? Ernst nehmen, empfiehlt Matthijs Rooduijn von der Universität Amsterdam, "damit erschwert man es ihm, sich als Außenseiter darzustellen". Der Soziologe zitiert Untersuchungen, wonach der Anteil jener Niederländer, die glauben, dass zu viele Ausländer im Land wohnten, in den vergangenen zehn Jahren gesunken sei. Eine Studie mit Daten aus elf Städten stellte zudem fest, dass die Kriminalitätsrate unter anerkannten Flüchtlingen im gleichen Zeitraum niedriger war als bei einer vergleichbaren einheimischen Gruppe. Argumente dieser Art lässt Wilders allerdings lässig an sich abtropfen.
Zum Glück für die regierende Mitte-rechts-Koalition von Ministerpräsident Mark Rutte stehen vorerst keine wichtigen Wahlen an. Die nächste große Bühne ist Wilders aber schon sicher: Im März beginnt ein Prozess wegen seines rassistischen Auftritts nach den Regionalwahlen vor einem Jahr ("Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?").