Niederlande:Affäre bei  den Populisten

Niederlande: Doziert über den „Terror der modernen Kunst“: der Niederländer Thierry Baudet, Chef der Forum-Partei.

Doziert über den „Terror der modernen Kunst“: der Niederländer Thierry Baudet, Chef der Forum-Partei.

(Foto: Bart Maat/AFP)

Rechter Parteichef wirft früherem Kollegen Betrug vor, und der will klagen.

Von Thomas Kirchner

Auch in den Niederlanden macht die Politik gerade Pause, doch das nationalpopulistische Forum für Demokratie von Thierry Baudet scheint fest entschlossen zu sein, das Sommerloch zu füllen. Ein interner Skandal bei der Gruppierung, die noch keine drei Jahre alt ist und bei den Regionalwahlen im März als stärkste Kraft einen spektakulären Erfolg erzielte, dominiert seit Tagen die Schlagzeilen im Land. Die Begriffe, die dabei fallen - "Säuberung", "Messer im Rücken", "Abrechnung", "Angstkultur" und ähnliches mehr -, zieren die Partei nicht. Allerdings sichern sie dem Forum wieder einmal die mediale Aufmerksamkeit, die sonst Baudet mit verbalen Provokationen gegen die "Elite" und das "Parteienkartell" auf sich lenkt. Nicht zuletzt dadurch hat er es geschafft, den Islamfeind Geert Wilders auf der Rechten weit hinter sich zu lassen.

Vordergründig handelt die Affäre von mutmaßlichen finanziellen Unregelmäßigkeiten, für die der frühere Schatzmeister des Forums, Henk Otten, verantwortlich sein soll. Im Frühjahr warf Baudet ihm vor, sich mehr als 30 000 Euro aus der Parteikasse als Ausgleich für Überstunden genommen zu haben. Der eigentliche Hintergrund ist aber eine jener Richtungsstreitigkeiten, wie sie typisch sind für neue Parteien, insbesondere auf der Rechten.

Otten hatte Baudet zuvor in einem freimütigen Interview für dessen harten Rechtskurs kritisiert. Er gab deutlich zu verstehen, dass ihm der hochmütige, gelehrte Ton, den der gelernte Rechtsphilosoph Baudet in seinen Reden anschlägt, zuwider ist, dass es ihn stört, wenn sich Baudet ins 19. Jahrhundert zurücksehnt, ausführlich über den "Terror der modernen Kunst" und die Irrungen heutiger Architektur doziert; wenn er mit Identitären und Vertretern der Alt-Right-Bewegung flirtet und in seinen Reden Codewörter versteckt, die an Rassisten und Rechtsextremisten adressiert sind. Außerdem zieh er den Parteigründer der Selbstherrlichkeit und warnte davor, das Forum nur auf seinen Gründer und Vordenker zu reduzieren und als reinen "Baudet-Fanclub" zu verstehen.

Zu diesem Zeitpunkt galt Otten, 52, als Nummer zwei in der Partei, die er mit Baudet, 36, und einer Handvoll Mitstreitern aufgebaut hatte. Der Kritisierte, der zuvor schon mehrere andere unbotmäßige Mitglieder aus dem Forum gedrängt hatte, reagierte auf die Kampfansage mit dem Vorwurf der Veruntreuung. Oberflächlich kam es zur Einigung: Otten zahlte den Überstundenausgleich zurück, verlor aber den versprochenen Fraktionsvorsitz im Oberhaus des Parlaments und trat als Schatzmeister ab. Doch der Disput köchelte weiter und ist nun eskaliert. Wieder heißt es, Otten habe die Partei um Geld betrogen. Einem Vertrauten, dem ebenfalls bei Baudet in Ungnade gefallenen Robert Baljeu, soll er 29 000 Euro für Beraterdienste zugeschanzt haben. Außerdem habe er einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf von Büchern und Merchandising in die eigene Tasche gesteckt. Baudet hat Otten aus der Partei ausgeschlossen und wegen Betrugs angezeigt. Der Beschuldigte wiederum will die Parteispitze wegen übler Nachrede verklagen.

Baudet nennt Ottens Rauswurf einen "unschönen, aber unumgänglichen Beschluss". Mit den angeblichen inhaltlichen Differenzen versuche er sein Fehlverhalten nur zu kaschieren. So etwas passiere, wenn eine Partei schnell wachse und viele Mitglieder erhalte. "Wir machen jetzt weiter, lassen das hinter uns und konzentrieren uns auf unsere politische Mission." Ganz so einfach wird es wohl nicht. In den Medien heißt es, Baudet und andere Parteigranden hätten sich wiederholt aus der Parteikasse bedient. Die Wähler reagieren. Laut einer Ipsos-Umfrage sank das Forum in der Gunst von 21 auf 18 Sitze und steht damit nur knapp vor den Grünen auf Platz zwei. Und weil Otten, der eine eigene Partei gründen will, seinen Sitz in der Ersten Kammer behält, wäre das Forum für Demokratie dort nicht mehr stärkste Kraft.

Die politische Konkurrenz hofft schon, dass es dem Forum ergehen könnte wie einst der Liste Pim Fortuyn. Die Partei des Urvaters der niederländischen Populisten brach 2002 nach einem überraschenden Wahlsieg in kurzer Zeit wegen interner Streitigkeiten auseinander. Allerdings war Fortuyn zuvor ermordet worden. Eingefleischte Baudet-Fans verzeihen dem Parteichef ohnehin fast alles. Sie jubeln, wenn er Kritiker beseitigt. Wie er das tut, scheint ihnen egal zu sein.

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